Lernen für Leben und Schule!

28.4.2023 BRANDORA
Spielwaren
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„Spielen ist Lernen“ - dieses Credo hat unsere Branche wohl durch und durch verinnerlicht. Zumindest in Europa. Hintergrund dafür mag wohl sein, dass hier durch zahlreiche reformpädagogischen Konzepte von Waldorf bis Montessori eine gewisse Sensibilität für den Wert des Spielens an sich und der damit verbundenen Entfaltung der Persönlichkeit erwuchs. Und das Thema „Lernen“ als intrinsisch motiviert verstanden wird. Nun ja - vom eher klassischen Frontalunterricht hat uns das lange dennoch nicht abgehalten. Aber auch hier tut sich seit geraumer Zeit einiges. Zwar recht zeitverzögert zu den Anforderungen in Sachen Flexibilität und Mediennutzungskompetenz, die Gesellschaft und Berufswelt so mit sich bringen - aber immerhin.

Innerhalb der Spielwarenbranche gibt es natürlich seit jeher Unternehmen, die eher im Thema „Spiel“ zu Hause sind - und solche, die sich eher in der Lern-Ecke beheimatet fühlen. Doch begreift man „spielen“ per se als „lernen“, so sind die Übergänge fließend. Wo lernt man mehr Frustrationstoleranz als beim Gesellschaftsspiel gemeinsam mit ehrgeizigen Familienmitgliedern? Wo lernt man mehr über soziales Miteinander als beim Rollenspiel im Kaufmannsladen oder Puppen und Kuscheltiere pflegen? Und wo lernt man mehr über Energie, Kraft und Arbeit als beim Fußballspiel oder Fahrradfahren? Und doch gibt es „Lernspielware“ als eigene Kategorie - und ausgehend von den USA und Asien - seit geraumer Zeit den verstärkten Fokus auf MINT - Fächer. (Im englischsprachigen Raum mitunter sehr überdehnt als ST(R)E(A)M bezeichnet)... MINT meint Mathe, IT, Naturwissenschaft und Technik. Oft wird das im Spielwarenbereich seeeeeehr weit gedehnt, und mit recht hanebüchenen Argumenten MINT gelabelt - damit es vermeintlich „besseres“ Spielzeug ist. Doch das ist eine andere Geschichte...

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Welche Rolle spielt die Spielwarenindustrie bei der Wissens- und Charakterbildung?
Wir haben uns ein wenig in der Branche umgehört, wie es denn in der Spielwarenwelt derzeit um den Brückenschlag zwischen Leben und Schule steht. „Welche Bedeutung hat das Thema Lernen und Bildung in der Spielwarenwelt?“ haben wir uns gefragt - und „Wie fördern Produkte auch das kreative Denken und Problemlösungsfähigkeiten?“ Und darüber hinaus interessierte uns auch das große Bild:

Wie sieht denn die Rolle der Spielwarenindustrie bei der Förderung umfassender Bildung und bei der Zukunftsgestaltung aus?

Der Stuttgarter KOSMOS Verlag ist untrennbar mit dem Thema Experimentieren und Forschen verbunden - schließlich handelt er seit nunmehr 100 Jahren mit Experimentierkästen. „Kinder stärker zu machen ist eine unserer Leitlinien. Kosmos leistete schon mit seinen ersten
Experimentierkästen 1922 echte Pionierarbeit für die spielerische und kindgerechte Vermittlung von Bildungsinhalten. Die Kinder wachsen am Scheitern und Gelingen, sie erleben sich als Person, die
etwas bewirkt und nicht nur passiv lernt“
, so Heiko Winfelder, Programmleiter Spielware und Mitglied der Geschäftsleitung bei KOSMOS. Es geht also auch hier um einen ganzheitlichen Ansatz, und nicht nur
um die reine Vermittlung von Schul-Wissen. „Wir wollen mit unseren Produkten nicht nur unterhalten, sondern immer auch einen Mehrwert bieten. Sei es in Form von klassischen MINT-Kästen, die die Kinder
ganz nah an Wissenschaften heranführen, oder über Wissenspuzzle, Roboter und anderen Spielwaren, bei denen das Sachwissen noch spielerischer ganz nebenbei vermittelt wird. Unsere Produkte fordern und fördern“,
berichtet Winfelder weiter. Dabei - und das ist ein recht moderner Denkansatz - wünscht sich KOSMOS, „dass jedes Kind seine Talente unabhängig von klassischen Normen und Klischees entdecken und mit Spiel und Spaß ausbauen kann“.

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Viele Herausforderungen - und viele Lösungsansätze. Die nicht immer aufgehen.
Chancengleichheit und Gleichberechtigung also - Herausforderungen, denen wir uns gesellschaftlich nicht nur im deutschsprachigen Raum seit ein paar Jahren vermehrt stellen. Teils mit beachtlichen Erfolgen, teils aber - und das zeigt die kürzlich bekanntgegebene Schließung der HABA Digitalwerkstätten - mit wirtschaftlichen Problemen. Denn dieses Möglichmachen kostet Ressourcen und Geld. HABA verfolgte den Ansatz der freien und angeleiteten digitalen Erlebnisräume zehn Jahre lang. Und trotz mehrfacher Konzept-Anpassung ist es dem Spielwarenspezialisten, der stark im edukativen Bereich verankert ist, nicht gelungen, ein wirtschaftlich tragfähiges Geschäftsmodell aus den Digitalwerkstätten zu machen. Das ist sehr schade - denn der Umgang mit digitalen Devices jenseits der Spiel- und Entertainment - Anwendungen ist eine Schlüsselfähigkeit der Zukunft. Und Schulen tun sich extrem schwer, hier entsprechende Angebote zu generieren.

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Bei BRUDER Spielwaren verfolgt man einen anderen Ansatz, wenn es um Lernspielware geht: Nicht das Forschen und Entdecken steht hier im Mittelpunkt, sondern das Rollenspiel. Julia Meyer, Marketingmanagerin beim fränkischen Hersteller, erklärt: „‚Just like the real thing‘ – Nach diesem Motto schafft BRUDER Spielwaren vielerlei Möglichkeiten für ein realitätsnahes und nachahmendes Spiel. Bei der Entwicklung unserer Spielfahrzeuge und Zubehör wird besonders viel Wert auf die Punkte Design und Technik gelegt. Die vielen Funktionen der Fahrzeuge bereichern die Kreativität der Kinder und motivieren zum Rollenspiel. Jedes Kind entdeckt in der vielfältigen BRUDER-Flotte sein Thema. Kleine Baumeister, Landwirte oder Feuerwehrmänner finden bei BRUDER alles was sie in der Welt der Großen sehen. Die sechs unterschiedlichen Themenwelten Bau, Landwirtschaft, Freizeit, Nutzfahrzeugen, Einsatzfahrzeuge und Fortwirtschaft bringen sozusagen die Realität zum Nachspielen ins Kinderzimmer.

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Reformpädagogische Ansätze - noch immer aktuell
Und auch hierbei finden sich reformpädagogische und sozialpsychologische Gedanken wieder - denn das Prinzip „Play and Learn“, ist es, auf das BRUDER setzt. Menschen lernen aktiv, indem sie sich bewusst mit ihrer Umwelt auseinandersetzen. Bei seiner sozial-kognitiven Lerntheorie beschreibt Albert Bandura den Effekt des Nachahmens: Der Lernprozess basiert auf der gegenseitigen Wirkung der Person und ihrer Umwelt aufeinander. Schließlich ist der Mensch in der Lage, seine Handlung zu planen, sie zu reflektieren und sich selbst zu motivieren. Das Verhalten eines Menschen ist demnach ein aktiver kognitiver Vorgang auf der Grundlage der Wahrnehmung, der Verarbeitung und der Evaluierung eines (Umwelt-)Reizes. Dabei gehört die Selbstwirksamkeit zu den zentralen Begriffen bei Bandura. Gemeint ist die Überzeugung, eine bestimmte Situation bewältigen zu können. Beim Imitationslernen lassen sich drei mögliche Effekte unterscheiden, nämlich die Aneignung von neuem Verhalten, die (Ent)hemmung von vorhandenem, bereits gelerntem Verhalten und das Auslösen bereits erworbenen Verhaltens.

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Die Initiative „Spielen macht Schule“
Der Zusammenhang zwischen Spiel, Verhalten und Aneignung von Wissen ist also unmittelbar. „Wer spielt, lernt leichter - auch in der Schule“, weiss man beim ZNL TransferZentrum für Neurowissenschaften und Lernen. Deshalb initiierte man dort gemeinsam mit dem Verein Mehr Zeit für
Kinder e.V. die Initiative „Spielen macht Schule“, bei der sich Grundschulen jedes Jahr um kostenlose Ausstattung bewerben können.
Die Initiative prüft regelmäßig Spiele und Spielzeuge. So freut sich der Spieleverlag Asmodee, gleich mehrere Titel mit entsprechender Empfehlung im Sortiment zu haben, bei denen es um Konzentrations-
und Reaktionsvermögen geht wie beim Bestseller „Dobble“, aber auch um Kreativität, Spontaneität und Erfindungsreichtung wie bei „Rory’s Story Cubes“. Auch sehr schul-nahe Spiele finden bei der Initiative
„Spielen macht Schule“ Beachtung. So findet sich auf der Empfehlungsliste unter anderem auch der Titel „Bananagrams“, der Wortschatz, Gedächtnis und Aufmerksamkeit fördert.

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Doch auch schon vor dem Schulalter sind MINT - Themen en vogue. Zahlreiche Spielwaren für den Kleinkind-, Kindergarten- und Vorschulbereich sind vollgepackt mit Wissensvermittlung. Die Ursachen für diesen Trend sind dabei vielfältig: Spielwaren werden nach Möglichkeit international verkauft - und so folgen sie auch inhaltlich internationalen Standards. Gerade im Kleinkindbereich merkt man hier schnell Unterschiede in der Art der Wissensvermittlung. Andere Länder sind hier weit „verschulter“. Tun sich bei uns Kindergärten und Vorschulen noch recht schwer mit digitalen Tools, sind diese in Asien dort Gang und Gäbe.

Playmobil setzt hier auf einen Mittelweg: In der „Großen Schule“ des Zirndorfer Herstellers steht spielerisches Lernen im Vordergrund. Gelehrt werden in dieser Schule nicht nur MINT-Fächer, sondern auch Umweltschutz und Naturkenntnis. Also ebenfalls der „Play and Learn“ - Ansatz, jedoch erweitert durch die Befriedigung des elterlichen Anspruchs an Wissensvermittlung. Nicht zuletzt, um dem eigenen Kind vermeintlich bessere Startchancen in ein Schul- und Berufsleben zu geben.

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Auch bei der Simba Dickie Group gibt es zahlreiche Spielwaren und Spiele, die MINT-Themen und Lernen beinhalten. Und zwar in den verschiedensten Kategorien und für die verschiedensten Altersstufen. Angefangen von Werkbänken mit relitätsnahen Werkzeugen bis hin zu „kurzvorknapp“ und „bamboleo“ von Zoch.

„Die Spielwarenbranche begleitet die Kindheits- und Orientierungsphase mit uneingeschränkten spielerischen Möglichkeiten. Durch das Spielen lernen Kinder fürs Leben. Spielzeug zu Themen wie Lernen, Bildung und MINT macht Spaß, stärkt die Fähigkeiten von Kindern, weckt ihre Neugier und unterstützt sie von Anfang an. Diese Aspekte berücksichtigen wir auch in der Produktentwicklung", berichte Maximilian Stork, Director Product Management & Design von Simba Toys.

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"So fördert das Schätzspiel ‚Kurz vor Knapp‘ von Zoch das mathematische Verständnis, denn es gilt die Längen von Holzstäben nach Augenmaß richtig einzuschätzen. Freude entsteht auch durch das Sammeln neuer, positiver Erfahrungen, wie das Verbinden von Leisten durch Schrauben bei der Konstruktionslinie Eichhorn Constructor. Nebenbei werden das räumliche Denken, die Kreativität und die Feinmotorik geschult. Mit dem Wasserbahnsystem von AquaPlay lernen Naturwissenschaftler ab drei Jahren die physikalischen Gesetze rund um das Element Wasser kennen und stärken ihr Selbstbewusstsein, indem sie experimentieren und selbst ausprobieren. Dabei entdecken sie, wie eine Schleuse funktioniert, wie Strömungen entstehen oder sich deren Richtung ändern lässt. Ein positives Selbstwertgefühl bekommt man ebenfalls durch das Meistern von Herausforderungen. Welche zentrale Bedeutung die Schwerkraft hat, verdeutlicht das Geschicklichkeitsspiel ‚Bamboleo‘ von Zoch, bei dem die Spieler mit Konzentration und einer ruhigen Hand abwechselnd Holzstücke verschiedener Formen und Gewichte von einer Balancierplatte nehmen, ohne diese aus dem Gleichgewicht zu bringen. Nicht zuletzt erlangen Kinder durch den Umgang mit den Werkbänken und Werkzeugen von Smoby Toys ein technisches Verständnis und schlüpfen in die Rolle ihrer Vorbilder indem sie spielerisch Altes reparieren und Neues schaffen, auf das sie stolz sein können.“

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Und was ist unsere Rolle nun?
Welche Rolle spielt also unsere Industrie dabei, Kinder auf das Leben in einer sich rasant verändernden Umwelt vorzubereiten? Welchen Beitrag können wir als Hersteller für die Förderung einer umfassenden
Bildung leisten?

„Wir sehen immer wieder, dass Kinder gerne lernen und mit Offenheit und Neugierde durch die Welt gehen, wenn man sie dabei unterstützt. Und für diese Unterstützung hat die Spielwarenindustrie die optimalen Voraussetzungen. Pädagogisch sinnvolle Spielwaren bieten die Möglichkeit eines niedrigschwelligen und ganz intuitiven Zugangs zu Wissen. Und diese spielerische Wissensvermittlung wirkt auf einer ganz anderen, intensiveren Ebene, als reine Theorie. Deshalb finden wir es wichtig, den
nachkommenden Generationen Instrumente an die Hand zu geben, mithilfe derer sie sich ein Verständnis ihrer Umwelt und Gesellschaft erarbeiten können und später vielleicht sogar die Zukunft mitgestalten können“
, so Heiko Winfelder. Und das kann auch Julia Meyer nur unterstreichen: „Gutes Spielzeug sollte die Entwicklung von Kindern unterstützen und die kognitiven sowie motorischen Fähigkeiten fördern. Das beginnt mit der kindlichen Früherziehung und geht bis zur Weitergabe nachhaltiger Thematiken. Gerade die Spielwarenindustrie adressiert die nächsten Generationen. Sie sitzt sozusagen an der Quelle der Zukunft.“

Die Quelle der Zukunft also - das ist eine große Aufgabe, der wir uns wohl immer und immer wieder bewusst werden müssen, wenn wir neue Spielwaren für neue Generationen konzipieren.

Der BRANDORA Editorial Service ist eine Plattform, die sich auf die Themen der Spielwarenindustrie spezialisiert hat. Einmal im Monat widmet sich die Redaktion der "Spielwaren Insights" einem Leitthema, das intensiv recherchiert und beleuchtet wird. Die Redaktion stellt Fragen und sucht nach Antworten, um ein umfassendes Bild des Themas zu erhalten. Dabei geht es nicht nur um die reinen Fakten, sondern auch um die Meinungen und Ansichten von Experten und Beteiligten in der Branche.

Ziel ist es, einen Dialog innerhalb der Branche zu schaffen und wichtige Themen aufzugreifen, die für die Zukunft der Spielwarenindustrie von Bedeutung sind.

Der BRANDORA Editorial Service versteht sich als unabhängige Plattform, die objektiv und kritisch über Themen berichtet und diskutiert. Dabei werden sowohl positive als auch negative Aspekte beleuchtet und hinterfragt.

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