Styleguides im Licensing: Interview mit Designer Tom Nassal (crosscreative)
Styleguides sind schon lange elementarer Bestandteil, wann immer Designer und gestalterische Elemente in Arbeitsprozesse eingreifen. Im Licencing schützen sie Marken, erleichtern die Kommunikation zwischen Lizenzgeber und Lizenznehmer und minimieren die Anzahl benötigter Korrekturschleifen – jedoch nur, wenn sie richtig genutzt werden. Worauf kommt es bei einem Licensing-Styleguide an? Was sind häufige Fehler und was ermöglichen Cloud und KI? Darüber hat BRANDORA mit Tom Nassal gesprochen. Er arbeitet nicht nur selbst als Designer sondern schult auch entsprechende Teams bei seinen Kunden.
Tom Nassal, können Sie sich und Ihre Arbeit einmal genauer vorstellen?
Ich bin seit fast 25 Jahren als Designer mit meinem Studio crosscreative für unterschiedliche Unternehmen und Branchen tätig. Seit wir 2004 den Relaunch des BIG Bobby Car begleiten durften, sind Spielwaren ein fester Bestandteil unseres Portfolios. Wir betreuen Unternehmen aus den Bereichen Spielwaren, Sport, Kosmetik und Industrie in den Bereichen Branding, Packaging und Social Media und kennen uns aus im Handling und der Entwicklung von Lizenzen. Ich selbst arbeite zudem als Dozent, Team-Coach und freier Berater für Unternehmen und schreibe Kinderbücher.
Heute soll es um Styleguides gehen. Was sind deren wichtigste Funktionen für die Lizenzbranche?
Nun, da es zwei Perspektiven gibt (Lizenzgeber und Lizenznehmer), sind die Erwartungen und die damit verknüpften Funktionen recht unterschiedlich. Ein Lizenzgeber ist bedacht darauf, seine Marke möglichst konsistent und hochwertig präsentiert zu sehen, zudem ist er interessiert, die Abwicklung möglichst reibungslos zu vollenden. Ein Lizenznehmer hat ebenso Interesse, seinen Teil der Marke repräsentiert zu sehen und möchte auch möglichst sein Produkt prominent präsentiert sehen. Hier entsteht also schon eine Diskrepanz, ein Spannungsverhältnis. Ein Styleguide sollte idealerweise helfen, bereits im Vorfeld die Grenzen der visuellen Zusammenarbeit auszuloten. Zudem sollte ein Styleguide bzw. ein Brandguide immer genug Flexibilität mitbringen, um auch ganz neue Felder bespielen zu können.
Wie sehr sind Styleguides innerhalb der Lizenzbranche angekommen? Werden sie von einem überwiegenden Teil der Unternehmen zielführend genutzt?
Ein Styleguide ist für eine IP fast immer die Basis. Leider ist die Nutzbarkeit allerdings doch sehr unterschiedlich zu bewerten. Oftmals sind Styleguides nur oberflächlich und decken nicht alle benötigten Cases ab. Zudem sind die Anwendungsfälle oft sehr spezifisch und die Assets bieten keine gute Ausgangslage für die Gestaltung. Das macht die Sache dann oft mühsam – und damit teuer.
Sehen Sie sich manchmal mit Problemen konfrontiert, die durch eine praktikable Nutzung von Styleguides nicht entstanden wären?
Ja, täglich. Es gibt leider viele Styleguides, die schwer zu erfassen sind und sehr wenige Styleguide-Datenbanken, die sich intuitiv und schnell nutzen lassen. Da ich sowohl Anwender von Styleguides als auch Verfasser bin, kenne ich beide Perspektiven. Es wäre wünschenswert, wenn man hier von Kundenbriefings wie: „Ich brauche nur 20 Seiten als PDF und ein paar Dateien" wegkommen könnte.
Was macht einen guten Styleguide aus?
Wie gesagt, ist die Perspektive wichtig. Ein Styleguide muss digital sein, idealerweise cloudbasiert und ich muss die Zugriffe hier sauber kontrollieren können. Es macht keinen Sinn, den Gestaltern Zugriff auf alle Seasons der IP zu gewähren, wenn es primär nur um einen bestimmten Bereich des Guides geht. Ich erinnere mich an stundenlange Scroll-Sessions durch Character Assets auf der Suche nach der passenden Passage. Das ist nicht zielführend. Zudem ist es wirklich müßig, vermasste Planskizzen von Verpackungen im PDF zu lesen und nachbauen zu müssen, anstatt einfach vernünftige Templates zur Verfügung zu stellen. Damit meine ich ausgearbeitete Vorlagendateien in den von Gestaltern nutzbaren Datenformaten.
Ich kenne Spieleverlage, die ihre Grafiker jedes Mal aufs Neue Verpackungen gleichen Maßes aufbauen lassen, anstatt einmal vernünftige Templates zu bauen und diese in einer Cloud zugänglich zu machen. Wenn man diese Stunden zusammenrechnet, könnte man einen schönen Urlaub machen. Ich coache seit einiger Zeit Kunden genau in diesen Belangen. Erschreckend, wie einfach manchmal die Lösungen sind.
Was sollten Unternehmen hinsichtlich der Aufstellung ihrer internen Grafikabteilung beachten?
Heutzutage ist es völlig normal, dass Kunden – und das gilt für alle Branchen – interne Designer haben. Dabei hängt die Bedeutung der Strukturierung dieser Abteilungen natürlich von deren Größe ab: Je größer die Abteilung, desto wichtiger ist eine klare Struktur. Ich habe Teams in großen Werbeagenturen geleitet, viele Jahre mein eigenes Designstudio geführt und werde inzwischen auch von Kunden als externer Art Director und Head of Design engagiert. Besonders bei der Einführung neuer Styleguides, oft im Rahmen von Rebrandings, besteht die Gelegenheit, Strukturen zu analysieren und zu optimieren.
Für mich steht agiles, digitales Arbeiten im Fokus. Ein Art Director, der ein Grafikteam führt, muss das Designsystem bis ins Detail verstehen und die Marke oder die IP vollständig durchdringen. Er muss den Überblick über den Styleguide behalten und ist – wenn es sich um unternehmenseigene Assets handelt – auch für die Pflege der Bibliotheken verantwortlich. Sowohl bei digitalen als auch bei Print-Projekten können gravierende Fehler im Datenhandling passieren. Beispielsweise kann eine Farbe auf einer Verpackung völlig falsch wirken, wenn das falsche Template verwendet wurde.
Welche Trends lassen sich bei den Styleguides derzeit beobachten?
Leider geht der Trend zum Styleguide, der nur sehr oberflächlich die Marke erklärt. Der Lizenzmarkt wächst sehr schnell, daher ist das verständlich. Wenn eine IP nachhaltig Erfolg aufbauen soll, ist das allerdings der falsche Ansatz. Bei Marken-Styleguides ist es noch schlimmer, hier kann eine unprofessionelle und oberflächliche Markenwelt der Marke richtig schaden. Die Kommunikations-Kanäle funktionieren sehr unterschiedlich, man kann Print, Social Media, Shops und POS nicht mit ein paar Assets vereinheitlichen. Vielmehr geht es darum, eine Sprache zu entwickeln, mit der alle Kanäle anforderungsgerecht gestaltet werden können. Die Lösung ist hier also eine ideale Verbindung von Styleguide und Personal.
Die digitale Welt bietet im Vergleich zu früher Herausforderungen und Chancen. Was sind die Herausforderungen?
Ein Lizenzgeber möchte seine Lizenz natürlich maximal schützen. Das bedeutet, er möchte für seine Assets maximale Datensicherheit und er möchte auch sicher gehen, dass an den Bausteinen möglichst wenig „rumgepfuscht“ wird. Datensicherheit, Zugriffskontrolle und Dokumentation sind hier Schlagworte.
Und wie sieht es mit den Chancen aus?
Insbesondere im Hinblick auf modernes Arbeiten bieten digitale Arbeitsbibliotheken große Chancen. Ich selbst arbeite manchmal sogar vom Wohnmobil aus an meinen Produkten. Der Zugriff auf die Bibliotheken und Clouds erleichtern das enorm. Auch die kaum lesbaren Scans von Kunden mit handschriftlichen Anmerkungen gehören der Vergangenheit an. Digitale Korrekturtools erleichtern die Arbeit ungemein und ein Korrekturprozess ist damit auch sauber dokumentiert.
Mit welchen Tools arbeiten Sie? Welche empfehlen Sie Ihren Kunden?
Wir arbeiten mit sehr unterschiedlichen Tools. Für das Teammanagement sind Monday, Teams oder ClickUp starke Tools. Hier lassen sich Todos zuweisen und Teamprozesse steuern. Als Basis der gestalterischen Arbeit natürlich die Adobe Tools. Bibliotheken, Clouds und Korrekturtools sind direkt integriert in die Gestaltungswerkzeuge. Das lässt sich nur mit Mandalorian überschreiben: „Das ist der Weg!“.
Welches Tool fehlt noch auf dem Markt? Was müsste es können?
Vor allem im Hinblick auf Expiration Dates, Nutzungseinschränkungen, KI-Referenzen und Farbraumeinschränkungen gibt es noch kein Asset-Management-Tool. Zudem würde ich Nutzerrechte für bestimmte Assets vergeben und ein Korrektur- und Freigabetool verknüpfen. Perspektivisch werden wir hier wohl auch Prompt-gesteuerte Prozesse sehen z.B. „Styleguide: Mach mir ein Paket mit Gestaltungsassets und Templates für eine PeppaPig Window-Box zum Thema Outdoor-Holz, Verpackungsmaße 310x220x110 mm, ISO V2 300%; schreibe in die Datei 10 Punkte, worauf es dem Lizenzinhaber bei diesem Case ankommt.“ Wäre doch cool, oder?