„Kooperative Spiele bringen die besten Eigenschaften zum Vorschein“ – Interview mit Steven Rijsdijk (Sunny Games)

19.9.2025 BRANDORA
Spielwaren
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Der niederländische Spieleverlag Sunny Games hebt sich durch eine ganz besondere Eigenschaft ab: Er publiziert ausschließlich kooperative Spiele. Dass dies nicht etwa eine trendbewusste Laune ist, sondern aus Überzeugung geschieht, erklärt Gründer Steven Rijsdijk im BRANDORA-Interview. Außerdem hat man nach zwei Dekaden Arbeit nun dank einer Kooperation endlich einen Vertriebsweg auf den deutschen Markt gefunden.

Ein Spieleverlag, der sich ausschließlich auf kooperative Spiele beschränkt, ist nicht grade üblich. Wie kam es dazu?

Ich habe das Unternehmen 2004 gegründet. Zu dieser Zeit waren kooperative Spiele noch schwer zu finden – von wenigen offensichtlichen Titeln wie HABAs „Obstgarten“ einmal abgesehen. Im Erwachsenen-Sektor stand „Herr der Ringe“ von Reiner Knizia fast allein da. Ich mochte dieses Spiel sehr und fand, dass es nicht ganz die Aufmerksamkeit bekam, die es verdient gehabt hätte.

Als dein Interesse geweckt war, ergab sich ein Kontakt nach Übersee.

Richtig. In Kanada fand ich eine interessante Quelle. Dort gab es das Unternehmen Family Pastimes, das kooperative Gesellschaftsspiele für eine große Spannbreite an Zielgruppen produzierte, vom Kindergarten-Alter bis hin zu den Erwachsenen. Ob Familienspiele oder komplexe Strategiespiele – alles war dabei. Gegründet wurde Family Pastimes vom Spieleautor Jim Deacove, von dem wir viele Titel übersetzt haben und in Europa vertreiben. Heute stammt ein Teil unseres Sortiments von ihm, den anderen Teil haben wir selbst entwickelt.

Nochmal zurück zum Anfang der Zusammenarbeit: Wie hat sich der Kontakt weiter entwickelt?

Wir begannen damit, ihre Spiele in die Niederlande zu importieren. Bald kamen einige Partner in Frankreich, Belgien und UK hinzu. Nach ein paar Jahren versuchten wir, in den deutschen Markt zu gelangen. Dies erwies sich als extrem schwierig, wenn man selbst kein deutsches Unternehmen ist. Damals war es vielleicht sogar noch etwas einfacher als heute, weil einige Firmen wie Heidelbär reine Vertreiber waren.

Wie ist euch der Eintritt in den deutschen Markt dann doch noch gelungen?

Wie haben fast 20 Jahre daran gearbeitet. Nun beginnt es langsam. Pegasus wird unsere Spiele in Deutschland vertreiben. Uns steht also eine spannende Zeit bevor. Denn mit wenigen Ausnahmen sind wir immer noch der einzige Verlag, der komplett auf kooperative Titel spezialisiert ist.

Woher kommt diese Spezialisierung?

Letzten Endes ist es eine Vision. Die Vision von einer Welt, in der Kinder schon sehr früh erfahren, wie schön es ist, zu spielen und nicht gegen die Eltern oder die älteren Geschwister anzutreten. Man kann dabei großartige Entwicklungen beobachten. So nehmen Kinder das solidarische Verhalten, das sie beim Spielen erlernen auch mit in den Alltag. An einem Tag geben sie eine wertvolle Ressource bei der Spielerunde ab, am Tag darauf fragen sie ihre Geschwister plötzlich beim Essen, ob sie nicht auch eine leckere Tomatenscheibe auf dem Sandwich möchten. Deswegen haben wir uns auch für den Claim „We create happy Families“ entschieden, der mittlerweile auf unseren Spielboxen steht.

Da Sunny Games endlich einen guten Weg in den deutschen Gesellschaftsspiele-Markt gefunden hat – wie sind sonst die Aussichten für die nahe Zukunft?

Nun, da so viele kooperative großartige Titel im Erwachsenen-Sektor erschienen sind und fast alle bekannten Spieleautoren die Arbeit an einem solchen zumindest erwägen, möchten wir auch gern weiterhin den Schwerpunkt auf den Kinder- und Familienbereich setzen.

Darüber hinaus stehen aber auch wichtige Änderungen in der Unternehmensstruktur an. Ich hatte ja bereits angedeutet, dass bei Sunny Games auch eine Menge Überzeugung hinter unserer Arbeit steckt. Es geht bei uns nicht nur ums reine Geldverdienen. Wir möchten auch einen Beitrag leisten für eine Welt, in der wir leben wollen. In diesem Sinne möchte ich in den kommenden zwei Jahren die Eigentümerstruktur umbauen und Sunny Games in einer Art Genossenschaft führen. Dabei sollen engagierte Menschen langfristig zusammenarbeiten – also nicht im Sinne eines Aktionärsverhältnisses, wo die Beteiligten nur eine gewisse Zeit bleiben, bis sie genug Gewinn erwirtschaftet haben.

Ein überaus spannender Ansatz, über den wir unbedingt zeitnah ein weiteres Gespräch vereinbaren sollten! Bitte verrate uns für dieses Mal abschließend noch, was für dich persönlich die Magie eines kooperativen Spiels ausmacht.

Darauf muss ich mehrere Antworten geben. Erstens fühle mich als echte Einheit mit meinen Mitspielern, wenn ich ein solches Spiel mit ihnen spiele. Das bedeutet, ich kann komplett ich selbst sein. Außerdem bringt das Spiel alle positiven Eigenschaften zum Vorschein, die in mir wohnen. Ich bin interessiert an den anderen, ich stelle mich zurück, wenn es angemessen ist, ich engagiere mich für ein gemeinsames Ziel. Man kümmert sich auch vielmehr um die Bedürfnisse der anderen am Tisch.

Ich spiele eigentlich kaum noch kompetitive Spiele. Oftmals fühlt man sich dabei ein Stück weit allein. Denn wenn ich mich über mein gutes Blatt auf der Hand freue, dann möchte ich das eigentlich gern meinen Freunden mitteilen. Darf ich aber im kompetitiven Modus nicht, denn ich muss die Karten geheim halten.

Ich liebe es auch, kooperative Spiele mit Kindern zu spielen. Wenn etwa sechsjährige Spieler unser Spiel „Max der Kater“ spielen, dann ist es fantastisch zu sehen, wie sehr sie in das Spiel eintauchen und versuchen, zum Erfolg zu kommen. Da genieße ich es, mich ihnen anzuschließen und dieselbe Begeisterung zu fühlen.

Und schließlich geht es mir einmal mehr um den Zweck des Ganzen. Den Zweck, warum wir eben auch Sunny Games gegründet haben. Es hilft einem, die Hoffnung auf eine bessere Welt zu bewahren.