„Ich sehe Licht und Schatten“: Steffen Kircher von der Fair Toys Organisation (FTO) zur Nachhaltigkeit in der Spielwarenindustrie

Als Multi-Stakeholder-Initiative ist die Fair Toys Organisation (FTO) seit 2020 aktiv. Neben Verbänden, NGOs, Gewerkschaften und Kommunen sind es vor allem auch Unternehmen der deutschen Spielwarenindustrie, die Mitglieder der FTO sind. In einem mehrstufigen Verfahren wird geprüft, wie fit diese beim Thema Nachhaltigkeit sind. Die Initiative begleitet ihre Mitgliedsunternehmen schrittweise bis zur Zertifizierung und checkt anschließend regelmäßig die Einhaltung der gesetzten Standards. Wie es fünf Jahre nach Gründung um die Nachhaltigkeit in der Spielwarenbranche bestellt ist, schätzt FTO-Experte Steffen Kircher im BRANDORA-Interview ein.
Im März 2025 haben wir das Stufen-Verfahren der FTO im Rahmen eines BRANDORA-Leitartikels vorgestellt. Wie ist mittlerweile der Stand? Wie viele Unternehmen haben die FTO-Mitgliedschaft und wie viele davon stehen vor der Zertifizierung oder haben diese sogar schon erreicht?
Aktuell haben wir 31 Mitglieder. Davon kommen 16 aus der Spielwarenbranche und 15 aus der Zivilgesellschaft. Unter den 16 Mitgliedern der Spielwarenbranche sind neun Spielwarehersteller, von denen alle bis auf zwei den Fair Performance Check bereits durchlaufen haben. Zwei Unternehmen tragen aktuell das Siegel. Wir sind guter Dinge, dass demnächst noch weitere Mitgliedsunternehmen die hohen Anforderungen erfüllen und dann ebenfalls zertifiziert werden können.
Wie hat sich die Haltung der deutschen Spielwaren-Industrie aus Ihrer Sicht allgemein entwickelt?
Ich sehe Licht und Schatten. Führt man sich den Zeitraum der vergangenen zehn Jahre vor Augen, dann ist eine Menge passiert. Viele Unternehmen haben sich auf den Weg gemacht, mehr Transparenz in die Lieferkette zu bringen. Einige sind wirklich auf einem guten Weg. Gleichzeitig gibt es aber noch Luft nach oben. Ein gewisses Zögern bei der Nachhaltigkeit hat natürlich etwas mit der augenblicklichen Unsicherheit zu tun, mit den angespannten Märkten.
Wie sehen Sie die Signale, die bislang aus der Politik gekommen sind?
Vom Rückenwind Anfang der 2020 Jahre ist nicht mehr allzu viel geblieben. Aktuell erleben wir, dass das Deutsche Lieferkettengesetz stark geschwächt wurde. Außerdem wurde die Berichtspflicht ausgesetzt. Jetzt schauen wir mal, was das Omnibusverfahren bei dem europäischen Lieferkettengesetzt bringt und welche Richtlinie verabschiedet wird. Wir verstehen den Wunsch von Bürokratieabbau vieler Unternehmen, gleichzeitig sollen aber nicht die Menschen am Ende der Lieferkette darunter leiden. Deshalb setzen wir als FTO uns weiterhin für eine starke europäische Richtlinie und die Einhaltung der menschenrechtlichen Sorgfaltspflicht von Unternehmen ein.
Lassen Sie uns in ein paar Detailfragen gehen: Heutzutage soll alles „smart“ sein, die Holzpuppe reicht kaum noch jemandem aus. Doch wie sind elektronische Komponenten in Spielwaren hinsichtlich der Nachhaltigkeit zu beurteilen?
Soweit wir die Portfolios unserer Mitgliedsunternehmen überblicken, sind elektronische Komponenten tatsächlich nicht sehr verbreitet. Wir sind im Dialog mit einer anderen Brancheninitiative, die begonnen hat, die Lieferketten von Komponenten für PCs zu überprüfen. Bei Rohstoffgewinnung und Produktion – meist in Fernost – kommt es durchaus auch zu Schwierigkeiten. Hier gibt es durchaus Bemühungen, mehr Transparenz in die Lieferkette zu bringen. Ziel sind weitere Verbesserungen bei den Sozialstandards und bei den Umweltauswirkungen.
Können Sie sich auch eine Verbesserung beim Thema Kunststoff vorstellen? Der hohe Materialaufwand – sowohl beim Spielzeug selbst als auch bei der Verpackung – scheint ja kaum noch wegzudenken.
Letztes Jahr hat in Nürnberg die Handelsmesse Biofach stattgefunden. Diverse Kunststoffhersteller berichteten, dass hier viel geforscht wird. Der echte Durchbruch zu kreislauffähigen Produkten scheint noch nicht gelungen. Trotzdem gibt es einige interessante Entwicklungen, etwa beim biobasierten Kunststoff als Alternative zum „klassischen“ Kunststoff auf Erdöl-Basis.
Zum Themenkomplex der Nachhaltigkeit gehört nicht nur Umweltverträglichkeit, sondern auch Arbeitssicherheit. Der Anspruch der FTO ist es, im Bedarfsfall auch Trainings in den fernöstlichen Produktionsstätten durchzuführen.
Bis 2024 wurden wir vom Bundesministerium für Wirtschaftliche Zusammenarbeit gefördert. In diesem Rahmen haben wir in Vietnam und in China Trainings bei den Produktionsstätten unserer Mitgliedsunternehmen durchgeführt und konnten über 500 Arbeiter*innen erreichen. Diese Trainings stießen auf sehr gute Resonanz und werden weiterhin angeboten, allerdings nicht mehr öffentlich gefördert.
Auf der Website der FTO wurde eigens ein Navigationspunkt zum Thema „Beschwerden“ eingerichtet. Wie stark wird dieser genutzt?
Die Beschwerdestelle der FTO wurde Anfang dieses Jahres eingeführt und aktuell gibt es noch keine Beschwerden. Im Idealfall sollten die Beschwerden allerdings auf lokaler oder regionaler Ebenen gelöst werden. Sollte dies nicht möglich sein, kann hier der vereinseigene Beschwerdekanal genutzt werden.
Bitte geben Sie uns abschließend einen Ausblick auf die weitere Arbeit der FTO.
Wir befinden uns mit unserer Arbeit im fünften Jahr. Der Verein hat sich konsolidiert. In der letzten Mitgliederversammlung haben wir unsere Beitragsordnung angepasst, um die Hemmschwelle runterzusetzen. Das erste Jahr in der FTO ist für Mitgliedsunternehmen kostenfrei. Es ist ein Onboarding- oder Schnupper-Jahr, in dem die Unternehmen unsere Arbeitsweise kennenlernen. Wir auf der anderen Seite möchten die Mitglieder bei der Einhaltung ihrer Sorgfaltspflichten weiter informieren, sensibilisieren und begleiten. In dem Sinne freuen wir uns über jedes Unternehmen, das Teil der FTO werden möchte.