Catan zwischen Brettspiel, Marke und Streaming – rechtliche Perspektiven auf eine neue Adaption

30.10.2025
Lizenzbranche Spielwaren
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Der Streaming-Gigant Netflix hat sich die Rechte am Brettspiel-Klassiker „Die Siedler von Catan“ – heute schlicht „Catan“ – gesichert und plant, daraus ein ganzes Universum an Inhalten zu entwickeln: von Spielfilmen über Serien bis hin zu Animationen und Dokumentationen. Schon andere Spielzeug- und Markenwelten wie Lego oder Barbie haben in den vergangenen Jahren den Sprung auf die Leinwand geschafft, mit enormem kommerziellem Erfolg und teils erstaunlichem Kritikerlob. Sind also Brettspiele, Videogames und Actionfiguren mit ihren treuen Fan-Communities die nächste große Goldgrube für Hollywood? Und welche rechtlichen und kreativen Herausforderungen bringt das mit sich? Darüber sprechen wir heute mit Frank Fischer, Fachanwalt für Urheber- und Medienrecht und Leiter der Praxisgruppe IP & Media bei der Kanzlei Rödl & Partner in Köln.

Herr Fischer, welche Aspekte aus „Catan“ sind – abseits des Namens – urheberrechtlich schützbar?

Schutzfähig sind die individuellen, schöpferischen Gestaltungen – also das, was über die reine Spielmechanik hinausgeht. Im Fall von „Catan“ betrifft das insbesondere das grafische Design des Spielbretts, also die ikonische sechseckige Insel mit ihren unterschiedlichen Ressourcenfeldern, sowie die Gestaltung der Karten, Spielfiguren und Symbole. Auch das Artwork – also das Farbkonzept, die Illustrationen und die visuelle Gesamtwirkung – genießt urheberrechtlichen Schutz. Darüber hinaus können auch Texte und Regelwerke geschützt sein, sofern sie eine eigene schöpferische Formulierung aufweisen. Dazu zählen die erzählerische Einbettung, das thematische Setting („Siedler auf einer neuen Insel“), die Ortsnamen und charakteristischen Begriffe wie „Ritter“, „Straße“ oder „Siedlung“. Nicht schutzfähig ist hingegen die Spielidee an sich, also etwa der abstrakte Gedanke, Ressourcen zu tauschen oder eine Insel zu besiedeln. Diese Prinzipien gehören zum Gemeingut und sind frei nutzbar.

Betrifft ein solcher Schutz bereits einzelne Elemente (z. B. das Tauschen/Handeln von Ressourcen mit den Mitspielern) oder müssen mehrere Merkmale vereint sein?

Einzelne Spielmechaniken – wie der Tausch von Rohstoffen oder der Bau von Wegen – sind als solche nicht urheberrechtlich schutzfähig, weil sie reine Funktionsprinzipien darstellen. Der Schutz entsteht erst durch die Gesamtkombination mehrerer individueller und kreativer Elemente. Bei „Catan“ ist es etwa das Zusammenspiel aus Spielplan, Thema, Symbolik und Darstellung: der Handel auf einer Insel aus sechseckigen Feldern, die klar definierten Ressourcen Holz, Lehm, Wolle, Getreide und Erz, kombiniert mit der spezifischen Farb- und Bildsprache. Erst in dieser konkreten visuellen und narrativen Ausgestaltung entsteht ein urheberrechtlich schützbares Werk.

Erhalten die Rechteinhaber an dem Brettspiel durch die Lizenzierung Vorteile in der Stärkung ihres Markenrechts?

Ja, ganz eindeutig. Eine internationale Adaption durch Netflix führt zu einer erheblichen Stärkung der Marke „Catan“. Zum einen wird die Marke in neue Produkt- und Medienkategorien übertragen – von Brettspiel zu Film, Serie oder Merchandising – und erreicht dadurch ein neues Publikum. Zum anderen steigt die Markenbekanntheit und kulturelle Verankerung, was das Markenimage festigt und die Position gegenüber Nachahmern stärkt. Zudem profitieren die Rechteinhaber markenrechtlich von einer erweiterten Nutzung über verschiedene Waren- und Dienstleistungsklassen hinweg. Je breiter und erfolgreicher die Marke eingesetzt wird, desto stärker ist ihre Verteidigungsfähigkeit im rechtlichen Sinn.

Wie findet eine Preisfindung in den Lizenzvertragsverhandlungen statt? Auf welcher Grundlage werden die entsprechenden Summen für gewöhnlich ausgerufen?

Für Lizenzgebühren existieren keine festen Tarife. Die Preisfindung ist Ergebnis individueller Verhandlungen und orientiert sich an einer Reihe wirtschaftlicher Faktoren. Dazu zählen insbesondere: Bekanntheitsgrad und Marktwert der IP, gemessen an Verkaufszahlen, medialer Reichweite und Markenstärke, der Umfang und die Exklusivität der eingeräumten Rechte (Film, Serie, Merchandising etc.), Laufzeit der Lizenz sowie die Art der Nutzung – etwa eine einmalige Adaption oder der Aufbau eines ganzen Serienuniversums.

Die konkrete Vergütung erfolgt häufig als Kombination aus einer Einmalzahlung (Upfront Fee) und einer Umsatzbeteiligung (Royalty Rate). Hinzu kommen oftmals erfolgsabhängige Bonuszahlungen bei Erreichen bestimmter Reichweiten oder Einschaltquoten.

Brettspiele und andere Spielwaren werden bereits seit längerer Zeit in Film und Fernsehen überführt. Welche Eigenschaften müssen solche IPs aufweisen, um das Interesse von Lizenznehmern auf sich zu ziehen? Und wird der Markt für vergleichbare Spiele-Verfilmungen künftig weiter zunehmen?

Erfolgreiche Spiel-IPs zeichnen sich durch ein hohes Maß an Wiedererkennbarkeit und kulturelle Bekanntheit aus. Sie bieten Stoff für visuelles Worldbuilding, verfügen über identifizierbare Figuren oder Konflikte und enthalten Themen mit emotionalem oder sozialem Kern – Eigenschaften, die filmisch gut übersetzbar sind. Marken wie „Catan“, „Cluedo“, „Monopoly“ oder „Dungeons & Dragons“ bieten genau diese Grundlage: Sie verbinden klare Symbolik, ikonische Spielmechanismen und ein breites Publikum, das bereits eine emotionale Bindung zur Marke hat. Dadurch entsteht kreatives und wirtschaftliches Potenzial für Adaptionen. Der Markt für Spiele-Verfilmungen wird in den kommenden Jahren weiter wachsen.

Hier zeigt gerade das beliebte und mehrfach ausgezeichnete Spiel „Die Werwölfe von Düsterwald“ das Potential einer solchen IP. Neben inzwischen drei Verfilmungen ist unter dem Titel „Werwölfe – Das Spiel von List und Täuschung“ auch die erste deutsche TV-Adaption des Gesellschaftsspiels erschienen – produziert von SWR, WDR und BR und verfügbar in der ARD Mediathek. Dies zeigt, dass Streamingdienste und Fernsehsender aktiv nach etablierten Marken suchen, um ihr Risiko bei Neuproduktionen zu senken. Bekannte IPs bieten dabei einen entscheidenden Vorteil: Sie bringen bereits eine Fanbasis und eine funktionierende Welt mit, auf der sich neue Geschichten aufbauen lassen.

Angenommen, die Serie wird erfolgreich und ein Spielwarenhersteller möchte als Drittpartei lizenzierte Actionfiguren herstellen – würde dieser ausschließlich mit Netflix verhandeln oder auch mit den ursprünglichen Inhabern der Brettspiel-Lizenz?

Das hängt von der Lizenzstruktur ab. In der Regel erwirbt Netflix keine Eigentumsrechte an der Marke, sondern lediglich Nutzungs- und Verwertungsrechte für audiovisuelle Produktionen. Die ursprünglichen Rechteinhaber behalten daher in den meisten Fällen das Marken- und Merchandisingrecht, sofern diese nicht ausdrücklich an Netflix mitübertragen wurden. Ein Dritthersteller müsste daher mit beiden Parteien verhandeln: Mit Netflix, wenn die Figuren auf der Netflix-Serie basieren (z. B. Charakterdesigns oder visuelle Interpretationen) und mit den „Catan“-Rechteinhabern, wenn das Produkt auf der Grund-IP beruht (z. B. Rohstoffe, Spielfelder, Logos oder klassische Spielästhetik). In der Praxis führt das häufig zu einer Doppellizenzierung oder abgestimmten Zustimmung beider Seiten, um Rechtskonflikte zu vermeiden.