Die Ente der Herzen:
Donald Duck - 70 Jahre Superstar

Ehapa 9. Juni 2004
(Bilder © Disney)

 

Am 9. Juni 2004 feiert Donald Duck seinen 70. Geburtstag. Sollte nun der ein oder andere aufmerksame Leser anfangen nachzurechnen - Donald war schließlich bereits in seinem ersten Film eine erwachsene Ente - so sollte er sich vor Augen halten, dass Trickfilm und Comic-Figuren ja ihrem Wesen nach zeitlos sind und daher gar nicht altern können. Dafür ist Donald sogar das beste Beispiel: Bei allen Wandlungen, denen sein Aussehen oder sein Charakter im Laufe der Jahrzehnte ausgesetzt war, ist er sich doch immer treu geblieben.

Warum aber wird Donalds Geburtstag im Juni gefeiert?
Ganz einfach: Bei Trickfilm-Figuren, und für den Film wurde Donald ja erfunden, wird immer das Datum des Leinwanddebüts mit ihrem Geburtstag gleichgesetzt. Am 9. Juni 1934 hatte der Film "The Wise Little Hen" (Die kluge kleine Henne) aus der Reihe "Silly Symphonies" Kinopremiere. In diesem Film, der Disney-Version einer Fabel von Äsop, war Donald in einer Nebenrolle als Tagedieb zu sehen, der unter keinen Umständen dazu zu bewegen war, für seinen Lebensunterhalt zu arbeiten. Er hatte viel eher Lust, zusammen mit seinem Kumpel, dem Schwein Peter Pig, zu faulenzen und das Leben zu genießen. Donald Duck wohnte auf einem Hausboot, weshalb er auch von Anfang an einen Matrosenanzug trug. Obwohl er hier nur eine Nebenrolle spielte, hinterließ er einen so bleibenden Eindruck, dass er kurze Zeit später in den Micky Maus-Trickfilmen auftauchte.

Die Idee, eine Ente als Partner von Micky Maus einzuführen, war allerdings schon zwei Jahre vorher entstanden. Walt Disney hatte nämlich bereits 1932 bemerkt, dass Micky - nicht zuletzt auf Druck der amerikanischen Öffentlichkeit - nach und nach zu ernsthaft und seriös geworden war und wollte ihm daher starke komische Gegenspieler zur Seite stellen. Unter anderem auch eine sprechende Ente. Das Problem war nur, dass man dafür erst die passende Stimme finden musste. Und die kam per Zufall in die Disney-Studios. Der Tierstimmen-Imitator Clarence Nash, der davon träumte, bei Disney zu arbeiten, nahm sich 1933 eines Tages vom Milchausfahren (seinem Hauptberuf) frei und begab sich ins Büro des Disney-Regisseurs Wilfred Jackson. Dort rezitierte Nash den Kindervers: "Mary Had A Little Lamb" und riss Jackson förmlich vom Hocker. Der schaltete die Wechselsprechanlage zu Walt Disneys Büro ein und ließ Nash das Gedicht noch einmal aufsagen. Und siehe da, Walt Disney kam umgehend in Jacksons Büro, hörte noch ein Weilchen zu und sagte dann aufgeregt: "Das ist sie! Das ist unsere sprechende Ente!" Und so wurde Clarence Nash am 2. Dezember 1933 zu Walt Disneys 125. Angestellten und zu Donalds Stimme in der Originalfassung sowie in zahlreichen Synchron-Fassungen. (Anmerkung der Redaktion: es gibt auch andere Versionen, aber das ist die schönste!)

Das Gedicht, das zur Entdeckung der Donald-Stimme geführt hatte, wurde schließlich auch bei Donalds erstem Auftritt in einem Micky Maus-Film zu Gehör gebracht. Der 1934 gedrehte Film hieß "Orphans' Benefit" (Benefizvorstellung für Waisenkinder). Unter der Leitung von Trickfilmregisseur Burt Gillet präsentiert hier Micky Maus eine Bühnenshow für Mäuse aus dem Waisenhaus. Einer der Entertainer, die sich auf der Bühne abmühen, ist Donald mit seinem Gedicht. Allerdings machen sich die Mäusekinder so über ihn lustig, dass er einen seiner berühmt-berüchtigten Wutanfälle bekommt, die sich nach und nach zu seinem Markenzeichen entwickeln sollten. Von diesem Zeitpunkt an war Donald nicht mehr zu bremsen. 1935 schafft er in Mickys erstem Farbfilm "The Band Concert" den endgültigen Durchbruch. Darin versucht Micky bei einem Konzert im Freien die Wilhelm-Tell-Ouvertüre zu dirigieren. Donald sorgt dabei für einige aufregende Szenen, weil er während des Konzerts lauthals seine Erdnüsse anpreist, als befände er sich bei einem Fußballspiel. Von nun an tritt Donald mit schöner Regelmäßigkeit in Mickys Filmen auf, wobei den beiden meist Goofy als Partner zur Seite steht. Schon 1937 bekam er wegen seiner Beliebtheit beim Kinopublikum schließlich seine eigene Trickfilmreihe. In dieser Reihe wurden bis 1961 insgesamt 128 Trickfilme gedreht. Daneben trat Donald in rund 50 Filmen anderer Disney-Serien, in Spielfilmen und in TV-Specials auf. In der aktuellen Fernsehserie "Duck Tales" tritt Donald nur noch selten auf. Er geht wieder seinem alten Beruf auf See nach und hat nur selten "Landgang".

Bereits ein Vierteljahr nach seinem Filmdebüt konnte man Donald auch in einem Comic strip erleben. Zuerst in einer Umsetzung des Trickfilms "The Wise Little Hen", gezeichnet von Al Taliaferro und getextet von Ted Osborne. Sie erschien in den Comic-Beilagen vieler amerikanischer Sonntagszeitungen vom 16. September 1934. (An diesem Tage könnte man guten Gewissens Donalds Geburtstag noch ein zweites Mal feiern.) Wegen der Popularität, die Donald in den Trickfilmen genoss, bekam er auch in den Comics der Silly Symphony-Seiten ein eigenes Forum. Seine Streiche erschienen dort zunächst vom 30. August 1936 bis zum 5. Dezember 1937. In diesem Zeitraum traten auch erstmals Oma Duck und die Neffen Tick, Trick und Track in Donalds Leben.

Ab 7. Februar 1938 bekam Donald unter Federführung von Texter Bob Karp und Zeichner Al Taliaferro seinen eigenen Comic strip. Zu diesen täglich erscheinenden Zeitungsstrips kam ab 10. Dezember 1939 noch eine eigene Sonntagsseite in Farbe, die wie die Zeitungsstrips in den folgenden dreißig Jahren vom gleichen erfolgreichen Zeichner-Texter-Team angefertigt wurden. Nachdrucke der Strips in Buch- und Heftform gab es bereits seit 1935.

Die erste, speziell für ein Comic-Heft kreierte Donald-Geschichte entstand 1942. Geschrieben wurde sie von Bob Karp und zu je 32 Seiten gezeichnet von Jack Hannah und Carl Barks. Das Heft war Experiment und Resteverwertung in einem. Die Drehbuchautoren Harry Reeves und Homer Brightman hatten einen Abend füllenden Spielfilm mit dem Titel "Donald Duck Finds Pirate Gold" ausgearbeitet, der aber nicht gedreht werden konnte. Deshalb schlug Disney vor, die bereits geleistete Vorarbeit in Heftform umsetzen zu lassen. Dieses Heft erschien als Dell-Four-Colour-Comic Nr. 9 und ist heute eines der gefragtesten Sammlerstücke.

Das Heft bedeutete auch den Beginn der wirklich fantastischen Comiczeichner-Karriere von Carl Barks. Des Zeichners, der Entenhausen erdachte und mit vielen der bekanntesten Comic-Figuren bevölkerte: mit Onkel Dagobert, Gustav Gans, Daniel Düsentrieb und Gundel Gaukeley, um nur einige zu nennen. Carl Barks war vor seiner Arbeit an den Duck-Comics schon viele Jahre in den Trickfilm-Studios von Walt Disney tätig gewesen. Einige der besten Donald-Zeichentrickfilme der späten 30er und frühen 40er Jahre wurden von ihm als Autor und Storyboard-Zeichner mitgestaltet. In den 40er Jahren verabschiedete sich Carl Barks vom Zeichentrickstudio. Unter anderem wegen der schlechten Luft in Los Angeles. Er hatte vor, eine Hühnerfarm in San Jacinto zu betreiben. Doch Donald ließ ihn nicht los, denn schon bald bewarb er sich darum, weiterhin die Donald-Geschichten zeichnen zu dürfen, die von nun an in Walt Disney's Comics and Stories erscheinen sollten.

Es war unzweifelhaft ein Glücksfall, dass ein solch großer Könner wie Carl Barks den Kosmos Entenhausen schuf. Es gab und gibt noch viele große "Entenzeichner", doch er ist immer das große Vorbild aller geblieben.

Donald Duck ist heute eine Persönlichkeit des öffentlichen Lebens. Doch im Gegensatz zu vielen anderen wird er rückhaltlos geliebt. Es wird über ihn geforscht, er wird auf Händen und Hemden getragen, zitiert und gesammelt. Er entzückt jung und alt, begeistert alle sozialen Schichten. Seine Abenteuer werden unter Schulbänken, in U-Bahnen und VIP-Airport-Lounges gleichermaßen verschlungen. Er ist der King of Comics.

In all diesen Jahren wurden er und seine großen und kleinen Abenteuer von den unterschiedlichsten Künstlern - namhaften und namenlosen - erzählt und gezeichnet. Und auf geheimnisvolle Weise ist er nie gealtert, immer ist er sich treu geblieben. Ein cholerischer, fauler Erpel - ein Unglückswurm, der sich mit unerschütterlichem Optimismus und grandioser Selbstüberschätzung immer neu den Tücken des Alltags stellt.