"Siebenstein" – ein Programm mit Geschichte und Geschichten

ZDF Enterprises - September 2004
 

"Siebenstein" – ein Programm mit Geschichte und Geschichten
Rudi, Siebenstein und der Koffer sind umgezogen! Frau Siebenstein wird nun von Henriette Heinze gespielt! Vieles wird anders. Und um das zu verstehen, lohnt sich ein Blick in die Vergangenheit.
18 Jahre ist es schon her, da grübelte ich über einem Konzept für eine neue Vorschulserie. ZDF-Intendant Markus Schächter, damals Redaktionsleiter “Kinder und Jugend“; hatte mir den Auftrag gegeben, eine Sendung für jüngere Kinder zu entwickeln. Eine Sendung, in der Geschichten erzählt werden, sollte es sein. Das war mir schon bald klar, und in einem Trödelladen voller Gegenstände mit Geschichten sollte sie spielen. In einem Laden, der eine kleine vertraute Welt umschloss, aber gleichzeitig offen war, für alle möglichen Kunden – vom Nachbarskind bis zum Märchenprinzen. Wohnen sollte dort eine eigenwillige Frau, der Zeit mehr bedeutete als Geld. Sie sollte einen frechen Raben haben, denn die klugen, mythischen Hexenbegleiter faszinierten mich schon seit meiner Kindheit. Aber wer sollte der Dritte im Bunde sein? Klar war nur, dass es neben Mensch und Tier ein belebter Gegenstand sein sollte, stellvertretend für alle anderen Gegenstände des Ladens. Aber welcher? Eine Bratpfanne? Ein Klavier? Oder ein Butterbrot, wie es Karl-Heinz Käfer, Regisseur der ersten Stunde, vorschlug? Zufällig wollte ich damals in Wiesbaden einen Koffer kaufen. In einer Ecke entdeckte ich ein klassisches Modell mit Lederecken. „Da haben Sie sich ja unseren Ladenhüter ausgesucht,“ grinste der Verkäufer. Einen Moment war ich pikiert und zweifelte an meinem Geschmack. Aber dann war mir blitzartig klar: ein Ladenhüter im wörtlichen Sinn war genau das, was wir suchten. Und bei näherer Betrachtung zeigte sich, dass der Koffer sogar ein Gesicht hatte: Schnallenaugen, eine Griffnase und einen breiten Mund. Ein Koffer hat auch Charakter, denn er hat viel gesehen von der Welt. Natürlich kaufte ich den Koffer. Und unser Ladentrio war komplett.
Ende 1988 wurde Siebenstein zum ersten Mal gesendet. Bald wurden Frau Siebenstein, Koffer und Rudi von den Kindern geliebt, Tausende von Briefen und Bildern, seit einigen Jahren auch E-Mails erreichten die Redaktion und waren unser größter Ansporn. Außerdem erwies sich das einfache Konzept, eine Dreiecksfamilie, ein Laden, viele Kunden und Geschichten, als außerordentlich flexibel. Die Autoren, unter ihnen Paul Maar, Kirsten Boie, Gudrun Mebs, Jo Pestum und Cornelia Funke, um nur einige zu nennen, füllten das Konzept mit Leben. Die Schauspielerin Adelheid Arndt (Siebenstein) und die Puppenspieler Werner Knoedgen (Rudi) und Thomas Rohloff (Koffer) entwickelten ihre Charaktere weiter. Der Aktionsradius der Puppen erweiterte sich immer mehr. Bald saß Rudi nicht nur auf der Sessellehne, sondern auch draußen auf dem Rasen. Er lernte zu fliegen, sogar zu schwimmen und zu tauchen und mit Siebenstein zu tanzen. Der Koffer konnte eines Tages gleichzeitig Skateboard fahren und reden, und keiner wunderte sich darüber, weil man einfach nicht mehr darüber nachdachte, dass es sich eigentlich um Puppen handelte. Als mich einmal ein Kind auf einer Veranstaltung fragte, woraus Rudi gemacht sei, und ich anfing, etwas von Schaumstoffkörper zu erklären, sprang ein kleiner Junge empört auf und schrie: `Der ist nicht aus Schaumstoff! Der ist echt!´ Unauffällig aber stetig veränderte "Siebenstein" mit den Jahren seine Form. Die Handlung im Laden mit Rudi, Koffer und Siebenstein war zunächst als Rahmen für die Bildergeschichten, Zeichentrickfilme und Tierdokumentationen gedacht, gewann aber im Laufe der Zeit an Gewicht. Die Drehbücher waren schließlich doppelt so lang wie anfangs, weil die Geschichten temporeicher wurden. Zu Beginn des nächsten Jahrzehnts war der Laden zu eng geworden. Auf 98 Quadratmetern hatten wir sozusagen auf jedem Quadratmeter zwei Folgen gedreht und sechs Räume simuliert, in denen tagsüber gedreht und nachts umgebaut wurde. Am Ende platzte der Laden aus allen Nähten und die Kameraleute hatten jede Perspektive gefilmt. In einer ehemaligen französischen Militärkirche in Berlin haben wir nun den neuen Siebensteinladen fantasievoll aufgebaut. Über die Jahre hat sich auch ein Wachwechsel im Team von Siebenstein vollzogen. Die Produzenten von studio.tv.film, Wolfgang und Gerda Mann, gingen in den Ruhestand, ihnen folgte Albert Schäfer. Statt Götz Brandt und mir bilden nun Ina Günther und Katrin Pilz die Redaktion von "Siebenstein". Augenfällig für die Zuschauer wird der Wechsel in der Besetzung von Frau Siebenstein sein. Nach vielen Jahren, in denen Adelheid Arndt Siebenstein auf sanfte und verträumte Art verkörperte, kommt nun Henriette Heinze, die Siebenstein lustig und temperamentvoll darstellt. Das entspricht der Entwicklung der Sendung zu mehr Handlung, Tempo und Komödie. Insgesamt ist die Struktur der Sendung geschlossener, einfach "siebensteiniger". Aber eines bleibt gleich: Die kleine Familie aus Mensch, Tier und Gegenstand, die den Kindern immer wieder zeigt, dass man in einer Familie zusammenleben kann, selbst wenn die Familienmitglieder ganz verschieden sind. Und dass ein kleiner frecher Rabe auch dann geliebt wird, wenn er auf seinen Entdeckungsreisen ins Leben hundert Vasen zerbricht. Gleich bleibt auch, dass man bei Siebenstein lachen, träumen und lernen kann – und das ist schließlich das Wichtigste.
Irene Wellershoff
Leiterin Redaktionsgruppe Fiktion

Was gibt es Neues bei Siebenstein?
Interview mit den Redakteurinnen Ina Günther und Katrin Pilz

Die ZDF-Sendung "Siebenstein" startet nach 16 Jahren mit neuer Kulisse, einem neuen Gesicht und mit neuen Inhalten.Die auffälligste Veränderung ist die Neubesetzung von Frau Siebenstein. Warum fiel die Wahl auf sie?
Katrin Pilz (K.P.): Gefühle sind die größte Stärke der Sendung, von ihnen lebt sie, die machen sie so besonders. Henriette Heinze ist in der Lage, ebenso die ganz großen wie die feinen, kleinen Emotionen authentisch rüberzubringen. Mit ihrem Temperament und ihrer Sensibilität, ihrem Humor und ihrer Verletzbarkeit fliegen ihr schnell die Herzen zu – sicher nicht nur die von Rudi und dem Koffer.

Das Trio ist umgezogen. Welche Vorzüge bietet der neue Trödelladen?
Ina Günther (I.G.): Mehr Platz! Endlich! Hier konnten wir nun einen Ort schaffen, den jeder Zuschauer schnell mit der Sendung in Verbindung bringt – einfach, weil er wiedererkennbar ist. Außerdem ist er märchenhafter. Ein Drachenkamin, das Beduinenschlafzelt, das Spiegel-Auge – in solcher Umgebung fühlen sich selbst Flaschengeister, Zwerge und Drachenbabys wohl, die von Zeit zu Zeit bei den Siebensteinern zu Gast sind.

In der Sendung wird der Koffer nun zum Geschichtenerzähler?
K.P.: Ja! Denn er hat ja auch viel zu erzählen, weil er Jahrhunderte lang durch die ganze Welt gereist ist. In den Zeichentrickgeschichten sieht man ihn mit Piraten die Meere unsicher machen, beim Tempelturmbau der Sumerer Ziegeln schleppen oder mit chinesischen Papierdrachen übers Land segeln. All die Geschichten sind nicht völlig frei erfunden. Sie beruhen auf gründlichen Recherchen und enthalten – verpackt in spannenden Abenteuern – historische Fakten und Details, die manchmal erstaunlich und allemal lehrreich sind.

Musik hat bei den Siebensteinern immer eine große Rolle gespielt, bleibt das so?
I.G.: Nun erst recht! Alle neuen Sendungen enden mit einem Lied, gesungen von den drei Siebensteinern und möglichen Gästen. Jedes Lied ist ein Einzelstück und knüpft daran an, was unsere Helden eben im Laden erlebt haben – durch die Stimmung oder das Thema des Liedes: So zähmt ein Schlaflied eine wilde Bande von Flöhen, Zaubermeister Rudi beschwört Käsegeister oder die bedrückte Siebenstein braucht dringend ein Trostlied.

Gibt es neben dem vielen Neuen auch etwas, das bleibt?
K.P.: Selbstverständlich – im Mittelpunkt bleibt unser beliebtes Trio, die Siebenstein-Familie: der liebenswerte und impulsive Rabe Rudi, der welterfahrene Koffer und die lebenslustige und bezaubernde Frau Siebenstein. Zusammen meistern sie jede gefährliche oder noch so aussichtslose Situation, staunen über fantastische Besucher, wundern sich über Kunden mit eigenwilligen Charakteren. Mitfiebern und mitlachen kann jeder, Kinder ebenso wie Erwachsene, denn alle kommen hier auf ihre Kosten.

Das Interview führte Sabine Bonewitz

Samstag, 26. September 2004, 10.35 Uhr
Siebenstein
Die glorreichen Sieben
Buch: Charlotte Habersack, Friederike Wilhelmi
Produzent: Studio.TV. Film GmbH
Regie: Andrea Katzenberger
Siebenstein: Henriette Heinze
Puppenspieler Rabe Rudi: Werner Knoedgen
Puppenspieler Koffer: Thomas Rohloff
Redaktion: Ina Günther, Katrin Pilz
Länge: ca.25’

Ein Buch mit dickem Vorhängeschloss und voller Warnhinweise – das fordert Rudis Neugier geradezu heraus. Doch nachdem es ihm gelungen ist, das Buch zu öffnen, findet er darin lediglich Zeichnungen von sieben schlafenden Flöhen im Cowboy-Look - wie langweilig. Enttäuscht wendet er sich ab und lässt das geöffnete Buch achtlos liegen. Und so geschieht das Verheerende: Die “Glorreichen Sieben“, die frechen Flöhe, verlassen das Buch und sind frei! Von nun an treiben sie ihr Unwesen im Siebensteinladen, zwicken und zwacken die drei Siebensteiner und stellen den ganzen Laden auf den Kopf. Wie lassen sich die Biester nur wieder einfangen? Das Buch der Flöhe gibt ihnen dazu ein Rätsel auf. Und wie es scheint, ist Musik der Schlüssel, die “Glorreichen Sieben“ einzufangen. Bis zur Erschöpfung singen und tanzen die drei Siebensteiner, aber vergebens! Neben der Siebenstein-Rahmenhandlung gehört zu jeder Folge eine Geschichte des Koffers, die immer auf tatsächlichen historischen Begebenheiten beruht.
Koffer bei den Franzosen
Die erste Episode entführt die Zuschauer in die Zeit Louis XIV. Der Koffer verwahrt die Kosmetik und die Perücke des Königs. Bei einer Fahrt fällt er von der Kutsche und Jeanne, ein Bauernmädchen, findet ihn. Sie will Koffer eilig zum ungeduldig wartenden König zurückbringen, aber wegen ihres ärmlichen Aussehens findet sie keinen Einlass in Versailles. Kurz entschlossen verwandelt der Koffer Jeanne mit den königlichen Schminkutensilien in eine Prinzessin und so machen sich die beiden erneut auf den Weg nach Versailles.

Weitere Folgen bis Ende 2004

  • Sonntag, 10.Oktober 2004, 10.35 Uhr
    Das Duell
    Lied: Schöner ist es zu zwei'n
    Koffergeschichte: Koffer bei den Eskimos
  • Sonntag, 17. Oktober 2004, 10.35 Uhr
    Der Spiegelgeist
    Lied: Du bist so schön
    Koffergeschichte: Koffer bei Holländern
  • Sonntag, 31.Oktober 2004, 10.35 Uhr
    Rudi der Seerabe
    Lied: Wir segeln um die Welt
    Koffergeschichte: Koffer im Zirkus
  • Sonntag, 07.November 2004, 10.35 Uhr
    Rudi, Rapunzel und das Mammut
    Lied: Käseregen hätt' ich gern
    Koffergeschichte: Koffer in der Steinzeit
  • Sonntag, 21.November 2004, 10.35 Uhr
    Rudi, der Schwächlingstrainer
    Lied: Geschafft
    Koffergeschichte: Koffer bei den Olympischen Spielen
  • Sonntag, 28.November 2004, 10.35 Uhr
    Der Zwergenschatz
    Lied: Ich habe den Zwergenschatz bewacht
    Koffergeschichte: Koffer in Afrika
  • Sonntag, 26. Dezember 2004, 10.35 Uhr
    Rudi und der Weihnachtselch
    Lied: Hurra, endlich ist Weihnachten
    Koffergeschichte: Koffer in Weimar

Nah dran an dem, was Kinder mögen
Interview mit Siebenstein-Darstellerin Henriette Heinze

Sie sind die Neue im Siebenstein-Trio. Was hat Sie, Frau Heinze, an dieser Rolle gereizt?
Mir ist Frau Siebenstein sehr sympathisch, sie ist eine lebenslustige, gewitzte Frau mit Charme und Charakter. Sie hat kein fertiges Bild von Menschen und Dingen im Kopf, sie ist weltoffen und neugierig. Sie ist eine Figur, die nicht nur mit Alltagsproblemen konfrontiert wird, sondern mit Zauberei und zauberhaften Figuren in Berührung kommt. Sie ist lebhaft, experimentierfreudig und verspielt, mit einem gewissen Hang zum Skurrilen. Anders kann ich mir nicht erklären, dass sie einen Trödelladen betreibt und Raben- und Kofferexpertin geworden ist. Außerdem liebt sie ebenso wie der Koffer und Rudi alles Musikalische, all das kommt mir sehr entgegen.

Wird Frau Siebenstein unberechenbarer?
Niemals! Nach wie vor ist auf sie Verlass. Sie lässt sich schnell auf neue Situationen ein, sorgt auch für Überraschungen, bleibt in ihrer Rolle im Trio aber absolut zuverlässig und beständig. Sie wird immer schützend über Rudi, Koffer und ihren Laden wachen. Sie liebt und braucht Rudi und Koffer, genauso wie die beiden sie. Die drei sind unzertrennlich.

Hat die Rolle der Frau Siebenstein bei Ihnen persönlich Veränderungen ausgelöst?
Es ist etwas sehr Schönes, sich mit so einer Art von Rolle auseinander zu setzen. Sie verlangt von mir, zu erforschen, was Kinder komisch finden, welche Situationen für sie spannend sind. Außerdem kann die Beschäftigung mit einer so gütigen und unterhaltsamen Person nur positive Auswirkungen auf den Charakter haben.

Ist es Ihnen schwer gefallen, sich in das Siebenstein-Trio einzufinden?
Überhaupt nicht! Und ich habe gleich gespürt, dass die drei "Siebensteiner" etwas ganz Spezielles sind – nicht das, was man unter dem Klischee "lustig für Kinder" einordnet. Meine beiden Partner Werner Knoedgen und Thomas Rohloff, das gesamte Team, alle sind offen und neugierig. Das sind gute Voraussetzungen, um etwas Neues zu beginnen.

Was ist bei diesen Dreharbeiten anders?
Aus der wunderbaren Siebenstein-Spielkonstellation zwischen Mensch, Puppe und belebtem Gegenstand, in einem zauberhaften Trödelladen, entsteht eine große Spielfreiheit. Das Spiel funktioniert ja über die Figuren Rudi und Koffer. Werner und Thomas verschmelzen mit ihnen, sind für mich nicht trennbar. Es ist mir am Anfang auch privat schwer gefallen, zu Thomas nicht Koffer und zu Werner nicht Rudi zu sagen. Peinlich. Mit Schauspielerkollegen hingegen passiert mir das selten. Da ist die Verwandlung oft nicht so groß. Sich in einen Raben oder einen Koffer zu verwandeln, das ist ein großer Schritt. Ich lerne viel und bin sehr fasziniert.

"Frech sein wie Rudi"
Interview mit Puppenspieler Werner Knoedgen

Was ist für Sie an Rudi so faszinierend, dass Sie ihm nun 16 Jahre lang treu geblieben sind?
Für mich ist es einfach ein Riesenvergnügen, mit Rudi die Welt zu entdecken. Das war von Anfang an so! Als Alt-68er trage ich diese Utopie mit mir herum, dass sich stets alles zum Guten wendet. Als Erwachsener weiß ich natürlich, dass das unrealistisch ist, aber als Rudi, dem ewigen Kind, darf ich mir diese Naivität erlauben.

Es schlagen sozusagen zwei Seelen in Ihrer Brust?
Nicht nur in meiner Brust, auch in meinem Berufsalltag. Auf der einen Seite bin ich der Puppenspieler von Rudi, einer der bekanntesten Fernseh-Handpuppen im deutschen Kinderfernsehen. Aber die meiste Zeit des Jahres arbeite ich als Professor für Figurentheater an der Hochschule für Darstellende Künste in Stuttgart.

Da steht aber die Theorie im Vordergrund?
Das bringt ein Job an der Universität mit sich, und um so reizvoller ist die Kombination von beidem. Als Professor lebe ich die intellektuelle Ebene des Theaterspielens mit allem, was als Hintergrund dazugehört, aus. Als Rudi werde ich fast selbst wieder zum Kind und kann beim Darstellen und Spielen meinem emotionalen Potential freien Lauf lassen.

Haben Sie denn neben den darstellerischen Möglichkeiten und der typischen, unverkennbaren Rudi-Sprechweise auch Einfluss auf die Inhalte der Geschichten?
Das kommt schon mal vor. Irgendwie gehört das ja auch zusammen. In den Drehbüchern werden immer mal wieder Szenen beschrieben, in denen sich Rudi meinem Gefühl, meiner Meinung nach, anders verhalten würde, als von der Redaktion oder den Autoren gedacht. Meistens ergibt sich das erst direkt beim Spiel. Schließlich bin ich als Handpuppenspieler quasi der allererste Zuschauer von Rudi – hautnah an ihm dran. Und da spüre ich ganz genau, was zu ihm passt und was nicht. Und den jungen Zuschauern scheint die Art und Weise, wie Rudi die Dinge angeht, zu gefallen. Auch gerade das "Wie" hat der Figur in den letzten 16 Jahren einen Teil ihrer Konstanz gegeben und viel zum Charme der Sendung beigetragen.

Rudi ist ja eine Figur, die dem klassischen Puppenspiel entspricht, d.h. der Zuschauer darf nur die Figur sehen, nicht den Puppenspieler dahinter. Das erfordert mitunter doch extremen körperlichen Einsatz, oder?
Das kann man wohl sagen! Darum habe ich mir im Laufe der Jahre Techniken zur körperlichen Entspannung beigebracht, damit schwierige Haltungen – zum Beispiel unter dem Schreibtisch liegend, während Rudi obendrauf rumturnt - die Spielfreude nicht beeinflussen.

"Den Dingen eine Seele geben"
Interview mit Puppenspieler Thomas Rohloff

Herr Rohloff, der Koffer ist in der Rolle des ewigen Skeptikers und Nörglers. Ist das nicht manchmal etwas einseitig?
Aber ganz und gar nicht! Der Koffer hat ein sehr menschliches Grundbedürfnis, er möchte, wie wir alle, geliebt werden. Andererseits hat er die ganze Welt gesehen, eine Menge erlebt und weiß daher sehr viel. Sein Erfahrungsreichtum macht ihn oft zum Besserwisser und damit auch unbeliebt. In diesem Spannungsfeld die Rolle zu gestalten, das ist sehr interessant. Der Koffer ist der “Verkaufsleiter“ in einem Laden mit Leuten mit besonderen Problemen.

Als Koffer spielen sie seit 16 Jahren ja eine Figur, die eigentlich ganz schön alt und eher besonnen und vorsichtig ist. Entspricht das Ihrem Temperament?
Nein, eigentlich gar nicht. Als wir mit der Serie Siebenstein anfingen, war ich 25 Jahre alt und galt als ein "Hans Dampf in allen Gassen". Aber mit der Zeit wird man auch etwas ruhiger. So näherte ich mich der Rolle mit der Zeit an. Wenn ich Leute treffe, die mitbekommen, dass ich der Koffer aus “Siebenstein“ bin, sind die oft überrascht, da sie sich den Kofferspieler viel älter vorgestellt haben. Aber nach wie vor probiere ich viele neue Sachen aus. So beschäftige ich mich in den letzten Jahren mit neuen Darstellungsformen, die meine Theatererfahrung und Fernseherfahrung vereinen. Neben dem Theater hat mich immer auch die Technik interessiert.

Auf den ersten Blick scheint der Koffer aber nicht so technisch raffinierte Spielmöglichkeiten zu bieten?
Oh, das täuscht. Im Laufe der Jahre habe ich die Technik des Koffers deutlich verfeinert. Ursprünglich waren die Darstellungsmöglichkeiten sehr eingeschränkt. Inzwischen hat er sogar eine bewegliche Nase (der Griff) und durch seine Augen (die sind neu) habe ich neue Möglichkeiten, den Mund zu gestalten. Vor einigen Jahren habe ich einen zweiten Koffer gebaut, der total mobil ist und beim Spielen herumgetragen werden kann. Dieser zweite Koffer, ein "Animatronic", wird per Funksteuerung über kleine Motoren animiert. Jetzt, zum Neustart von “Siebenstein“, hat der Koffer in seinen Schnallen auch Augen. Bei dieser Gelegenheit habe ich den Koffer auch im Mundbereich flexibler gestaltet.

Dann sind Sie als Kofferspieler beides: Puppenspieler und Techniker?
Ein bisschen schon. In der Hauptsache bin ich natürlich Darsteller, also Puppenspieler. Die Technik bietet mir erweiterte Möglichkeiten in der Darstellung, die besonders im Fernsehen für eine perfekte Illusion sorgt. Dabei ist es sehr wichtig, dass sich die Technik stets dem Spiel unterordnet. Wenn man beim Spielen zu technisch denkt, wird man automatisch die emotionale Bindung zur Rolle verlieren. Mein Anspruch ist es, als Puppenspieler den Dingen eine Seele zu geben.

Die Interviews führte Sabine Bonewitz

Biographien

Henriette Heinze
Henriette Heinze, wurde 1973 in Zittau geboren. Sie besuchte die Staatliche Ballettschule in Berlin, studierte Schauspiel an der Folkwangschule in Essen und an der Hochschule für Film und Fernsehen “Konrad Wolf“ in Potsdam/Babelsberg. Im Fernsehen spielte sie in "Schimanski-Tatort" (2000), "Wege in die Nacht" (1998), beide Male unter der Regie von Andreas Kleinert und in "Sperling und das letzte Tabu" (2000), Regie: Peter Schulze Rohr, "Rette Deine Haut", Regie: Lars Becker. Sie erhielt den Max Ophüls Preis als beste Nachwuchs-Darstellerin für die Rolle der Anita in "Tolle Lage", Regie: Sören Voigt, den Deutschen Filmpreis in Gold für die beste Nebenrolle für die Rolle der Gina in "Wege in die Nacht", Regie: Andreas Kleinert. Seither ist Henriette Film und Fernsehen (Auswahl)
1998 "Wege in die Nacht" (Kino), Regie: Andreas Kleinert
1999 "Tolle Lage" (Kino), Regie: Sören Voigt
2000 "Salamander", Regie: Barbara Gebler
"Himmlische Helden", Regie: Carsten Fiebeler
"Tatort: Schimanski", Regie: Andreas Kleinert
"Sperling und das letzte Tabu", Regie: Peter Schulze Rohr,
2001 "Vollgas" (Kino), Regie: Sabine Derflinger
"Rette deine Haut", Regie: Lars Becker
"Bloch: Schwarzer Staub", Regie: Ed Herzog
2002 "Ganz und Gar" (Kino), Regie: Marco Kreuzpainter
2003 "Polizeiruf 110", Regie: Kai Wessel
2003/04 Rolle der Frau Siebenstein

Theater (Auswahl)
1998 Theater im Schokoladen Berlin, "Penthesilea", Kleist, Regie: Matthias Merkel, Rolle: Penthesilea,
2002 Sophiensaele Berlin," Fünf im gleichen Klein", Alan Ball, Regie: Amelie Haag

Werner Knoedgen
Puppenspieler Rabe Rudi
Geboren wurde Werner Knoedgen 1947 in Frankfurt/M. Von 1958 bis 1967 besuchte er ein altsprachliches Gymnasium. Von 1967 bis 1973 Studium deutsche Literatur, Philosophie, Kunstgeschichte, Sprechen und Gesang in Frankfurt/M und Freiburg/Brsg.

1973 Start als Figurenspieler
1980 Beginn der Regietätigkeit für Figurentheater. Stipendium der Kunststiftung Baden-Württemberg.
1983 Mitbegründer und seit 1987 Leiter des Studienganges, Figurentheater an der Staatlichen Hochschule für Musik und Darstellende Kunst Stuttgart. Publikationen zur Ausbildung und zur Grundlagenforschung des Figurentheaters.
1988 Start Spieler- und Sprecherrolle des Raben „Rudi" in der Fernsehserie „Siebenstein“ (ZDF). Drehbuchautor
1990 Professur für Figurentheater an der Stuttgarter Hochschule – Publikation: "Das unmögliche Theater - Zur Phänomenologie des Figurentheaters", Urachhaus-Verlag, Stuttgart, 1990
1992-1996 Mitglied des Theaterbeirats am Goethe-Institut München
1995-1999 zusätzlich zu „Siebenstein“ die Fernsehserien: "Frech wie Rudi" und „Hallo, hier ist Rudi“ (ZDF)

Hochschulinszenierungen (1983 – 2003, Auswahl)
Doktor Faust / H. Achternbusch: Die Sintflut / B. Brecht: Turandot / L. Carroll: Alice im Wunderland / O. Wilde: Der Glückliche Prinz / A. de Saint-Exupéry: Der Kleine Prinz.

Thomas Rohloff
Puppenspieler Koffer
Thomas Rohloff wurde 1961 in Berlin (West) geboren. Schon während der Schulzeit beschäftigte er sich mit dem Puppentheater. Nach dem Abitur machte er einen kurzen Ausflug in die Medienforschung und Werbung. Neben dem Figurentheater interessierte er sich für Werbefilme und Musikvideos, entschied sich dann aber in den 80er Jahren, seine Kreativität für seine Theaterarbeit zu verwenden und gründete das PUPPARIUM. Es entstanden mehrere Inszenierungen teils als Auftragsarbeit für Kinder und Erwachsene. Neben der Theaterarbeit experimentierte er mit speziellen Animationstechniken für Film und Fernsehen. In den 90er Jahren wechselte seine Tätigkeit vom Theater mehr zur Fernsehtätigkeit. Ganzkörperfiguren und Klappmaulfiguren (Muppets) gehörten zum Aufgabengebiet. Drei Jahre lang moderierte er mit Ferdinand Friedmann die Auslandssendung "Boulevard Deutschland" von Deutsche Welle TV. In dieser Zeit wurde das Fernsehstudio für ihn zum zweiten Wohnzimmer. Im neuen Jahrtausend ist er nun als "Pixelspieler" aktiv und vereint seine Animations- und Fernseherfahrungen zu audiovisuellen Installationen und Live-Auftritten in Performances und Theaterarbeiten. Seit 1988 spielt er die Figur des Koffers aus der ZDF-Sendereihe "Siebenstein".

Siebenstein auf www.tivi.de
Wenn am 26. September die neuen "Siebenstein"-Sendungen an den Start gehen, gibt es natürlich auch auf den dazugehörigen Internet-Seiten bei tivi.de viele neue Angebote zu entdecken. Bereits seit dem 6. August 2004, hat jeder die Gelegenheit, Henriette Heinze, die neue Darstellerin der Frau Siebenstein, auf den Internetseiten kennen zu lernen. Unter dem Motto: "Malt neue Klamotten für die neue Frau Siebenstein!" ruft Henriette Heinze alle "Siebenstein“-Fans dazu auf, ihr neue Kleider zu malen. Eine Auswahl der schönsten, witzigsten und schrägsten Einsendungen wird Mitte September in das beliebte Anziehspiel eingebaut. Ein Highlight ist das interaktive Spiel "Glitzerjagd im Trödelladen", eine Kombination aus Adventure-, Such- und Ratespiel. Bei der innovativen grafischen Umsetzung wurde Wert darauf gelegt, einen filmischen Eindruck zu vermitteln. Jeder Winkel des neu gestalteten Trödelladens kann ab Ende September erkundet werden. Dabei wird dem Spieler suggeriert, sich frei im Trödelladen bewegen zu können: der Laden, das Wohnzimmer, die Küche und die Werkstatt bieten Zugänge zu weiteren Räumen. Hier gilt es – typisch für Rudi – glitzernde Gegenstände zu finden und einzusammeln. Richtig spannend wird es, sobald zusätzliche Rätselfragen rund um die Siebensteiner und den Trödelladen auftauchen. Es gibt viele Überraschungen zu entdecken und die jungen User können mit Siebenstein, Rudi und Koffer interagieren. Die Integration vieler Audio-Elemente ermöglicht vor allem auch jungen Spielern einen leichten Zugang zur "Glitzerjagd im Trödelladen". Für die Ohren gibt es auch was: Im "Lieder-Memory" singt das Siebensteintrio per Klick und macht Lust zum Mitsingen. In den Audiostreams "Rudi erklärt die Welt" beantwortet Rudi neugierige Fragen von Kindern – natürlich aus seiner höchst persönlichen Sicht auf die Welt. Außerdem können Kinder beim "Kofferquiz" rund um die Koffergeschichten mitmachen und dabei mehr über Koffers abenteuerliche Reisen erfahren. Natürlich geht es neben den Neuerungen auf den Siebenstein-Seiten auch mit dem bewährten Angebot weiter: Außer Bildschirmschonern und Hintergrundbildern, Mauszeigern und Postkarten gibt es jede Menge Ausmalbilder und Basteltipps zum Ausdrucken. Die Bilder von „Siebenstein“-Fans werden regelmäßig in der Rubrik "Eure Bilder"’ präsentiert. Und nach wie vor wird die Redaktion auf Post von den Geschichtenschreibern unter den Kindern warten. Im Geschichtenwettbewerb "Goldene Feder" dreht sich ab September alles um Rudi und was er im Trödelladen anstellt.