Bücher,Bits & Bytes – Digitalisierungsprozess spiegelt sich auf der Frankfurter Buchmesse

Frankfurter Buchmesse - September 2006

 
Jenseits von Hype und blindem Fortschrittsglauben zeigt die Buchmesse, welche Entwicklungen auf die Verlage zukommen

CD-ROMs, DVDs, Hörbücher, Online-Datenbanken und eBooks: Gebundene Bücher sind bei weitem nicht das einzige, was auf der Frankfurter Buchmesse gezeigt wird (siehe Infokasten I). Glatte 30 Prozent des Angebots sind digitale Produkte. Dieses Phänomen springt im Ausstellerbereich „Fach- und Wissenschaftsverlage, Informationsmanagement“ besonders ins Auge. Denn hier scharen sich die großen Fachverlage wie Springer, WoltersKluwer und de Gruyter, Online-Giganten wie Google oder Amazon und auch kleinere, innovative Firmen, die sich zum Beispiel am Stand des AkV, dem Arbeitskreis kleinerer Verlage des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels, präsentieren. Doch auch in Populärwissenschaft, Pädagogik und Reiseliteratur oder sogar Belletristik und Kinderbuch hat die Digitalisierung Einzug gehalten.

Spezialisten können sich auf der Buchmesse umfassend über neue Trends informieren – sowohl an den Ständen und in Diskussionsforen der Messe, als auch auf der parallel stattfindenden DGI-Online-Tagung im Congress Center des Messegeländes. Geballte Information, von Fachleuten vorgetragen, verhilft interessierten Fachbesuchern zu einem umfassenden Überblick über die Branche und versetzt sie in die Lage, neue Entwicklungen und Trends für die eigene Berufspraxis einschätzen zu können.

Die digitale Revolution schreitet unaufhaltsam voran
Bereits 1993 stellte die Frankfurter Buchmesse die Elektronischen Medien mit einer bis dato unerreichten Ausstellungsfläche ins Rampenlicht. Die Verlage nahmen den Trend ebenfalls begeistert auf. Niemand wollte den neuen Markt verschlafen, die Presswerke fabrizierten CD-ROMs in beträchtlichen Auflagen. Dieser Euphorie für CD-ROMs folgte die begeisterte Entdeckung der Möglichkeiten des Internet. Aber mit der darauf folgenden Marktbereinigung innerhalb der New Economy stieg auch die Unsicherheit im Handel, inwieweit elektronisches Publizieren relevant sei.

Inzwischen haben sich klare Marktpotenziale heraus gebildet: Sprachen lernen sich besser multimedial, das belegen auch die Studien der Lernpsychologie und Gehirnforschung. Lernsoftware in Vorschule und Schule veranschaulichen Zahlenräume in der Mathematik oder vermitteln den Zusammenhang zwischen Lauten und Buchstaben, zwischen Schrift und Sprache, wie es kein anderes Medium vermag. Kindersoftware fördert die Entwicklung der Kleinen und ergänzt das Kinderbuch und traditionelles Spielzeug.

Special Interest-Titel auf DVD oder CD-ROM vermitteln Einblicke in historische oder wissenschaftliche Gegebenheiten, was durch Film- und Tondokumente, Animationen in Modellen und animierten Grafiken verständlicher gemacht wird. Nachschlagewerke in digitaler Form profitieren von Volltextrecherche und sinnstiftender Verknüpfung von Information. Wissenschaftliche Fachverlage beispielsweise nutzen das Internet als gleichberechtigte Informationsquelle – Medizinstudenten etwa schlagen im Web nach, um Definitionen und Sachverhalte für ihre Arbeiten zu erörtern.

Der Exotenstatus ist Vergangenheit
Junge Firmen als auch traditionelle Verlagshäuser mischen im Markt mit und verbessern die Standards elektronischen Publizierens – am Ende profitiert der Kunde. Die Frankfurter Buchmesse hat diese Entwicklung über all die Jahre begleitet und gibt in Ausstellungen und Veranstaltungen Einblicke in aktuelle Strömungen und zukünftige Markttendenzen. Denn ein Ende der Entwicklung ist nicht absehbar, die Digitalisierung schreitet weiter voran.

Seit den Pioniertagen des Electronic Publishing hat sich auf der Frankfurter Buchmesse deshalb einiges geändert. Früher wurden alle „neuen Medien“ gebündelt präsentiert – egal, welche Zielgruppen sie letztendlich bedienten. So fand sich Sprachlernsoftware neben Online-Enzyklopädie, interaktives Computerspiel neben Bibliotheksdatenbank. Inzwischen haben die elektronischen Medien sich wieder ins Sortiment ihrer jeweiligen Herkunftsverlage zurückgefunden. Sie werden nicht mehr als Exoten gehandelt, sondern sind zu einem selbstverständlichen Bestandteil der Verlagsprogramme geworden: Lernsoftware gibt es am Schulbuchstand (Halle 3.1). DVDs zur Teenager-Kultbuchserie im Bereich Kinder- und Jugendbuch (Halle 3.0). Reiseführer, die durch Online-Angebote ergänzt werden, stellen die Touristikverlage vor (Halle 3.1). Und im Ausstellerbereich „Fach- und Wissenschaftsverlage, Informationsmanagement“ der Halle 4.2 werden hoch spezialisierte Online-Datenbanken und Digitale Bibliotheken Seite an Seite mit dickbändigen juristischen oder medizinischen Nachschlagewerken oder Loseblattwerken präsentiert.

Volltextsuche, Wiki, Blog & Co. – Crossmedia ist Trend
Multimedia war einmal das Wort des Jahres. Heute bestimmen Begriffe wie Weblog, Podcast oder User Generated Content den Zeitgeist. Das neue Lebensgefühl stellt eine starke Herausforderung für Verlage dar. Weblogs, auch Blogs genannt, sind Webseiten mit stetig wachsenden Inhalten, da meist täglich neue Einträge hinzukommen. Es entstehen themenbezogene Communities – im Krimiblog stehen Kriminalromane, im Litblog wird über Literatur diskutiert. Während der Frankfurter Buchmesse werden dieses Jahr Buchmesse-Blogger unterwegs sein, um stündlich ihre persönlichen Eindrücke von der Buchmesse zu „posten“ www.buchmesse.de/blog

Dahinter steckt Software, die das Publizieren von Webseiten für jedermann einfach macht, so genannte Weblog Publishing Systeme.

Während Weblogs vornehmlich Text und Bild liefern, verbergen sich hinter Podcasts Hörbeiträge, die quasi kompletten Radiosendungen entsprechen. Und mit Wikipedia wächst täglich ein Gratis-Nachschlagewerk im Web, das bei jungen Menschen schon jetzt hoch im Kurs steht. Google und Amazon stellen eingescannte Bücher ins Netz und machen Text-Inhalte durchsuchbar.

Bei derartigen Tendenzen können Verlage und Buchhandel nicht untätig zusehen. Der Börsenverein des deutschen Buchhandels hat die Initiative „Volltextsuche online“ gegründet, womit die Verlage den Tendenzen im Markt begegnen wollen. In Vorträgen etwa bei der DGI-Online-Tagung oder im Forum Wissenschaft während der Buchmesse werden die aktuellen Entwicklungen vorgestellt und diskutiert. Das gilt ebenso für die Strategie der Verlage, Trends wie Weblogs oder Podcasts zu integrieren und etwa crossmediale Medienmarken aufzubauen. Podcasts nutzt die Buchmesse ohnehin: Informationen zur Buchmesse und das Programm sind bereits jetzt und in neuen Ausgaben während der Buchmesse auf der Buchmesse-Webseite zu hören. Die Sendungen können direkt auf den iPod oder als MP3-Datei auf den PC geladen werden.

Buchbranche trifft Online-Anbieter
Dass die diesjährige Online-Tagung der Deutschen Gesellschaft für Informationswissenschaft und Informationspraxis (DGI) zeitgleich mit der Buchmesse stattfindet (4. bis 6. Oktober im Congress Center), ist kein Zufall. Hier trifft sich die Informationsbranche und kann an die Tagung gleich einen Gang in die Halle 4.2 der Frankfurter Buchmesse Digital Market Place anschließen. Dort sind neben Fach- und Wissenschaftsverlagen und dem Internationalen Bibliotheks-Zentrum auch der Digital Market Place und eine stets wachsende Zahl von Anbietern von Online-Solutions und E-Publishing zu finden. Auch das Gastland Indien präsentiert sein Know-how am IT-Gemeinschaftsstand „India ICT Pavilion“ (siehe Infokasten II). Im Forum Fachbuch in Halle 4.2 finden kostenlose Blitzseminare für Buchhändler statt, etwa zum Thema E-Marketing.

Somit dürfte die Halle 4.2 zur Trendschmiede avancieren, wo Informationswissenschaftler und Online-Spezialisten auf Verlagsleute und Buchhändler treffen. „Die Halle 4.2 erlebt eine rasante Entwicklung“, resümiert Brigitte Klempert, die den Bereich Fachinformationsaussteller der Buchmesse betreut. „Denn nirgends sonst wird so umfassend und aktuell darüber informiert, wie beide Branchen im Zeitalter der Digitalisierung zusammenwachsen und welche Entwicklungen in naher Zukunft zu erwarten sind.“ Die Buchmesse zeigt Trends in der Branche auf. Sie zeigt auch, wie eng Buchverlage und Entwicklungen im Online-Business beieinander liegen.