Leichter Rückgang der Geburtenziffer 2011

Statistisches Bundesamt - September 2012

 
1,36 Kinder je Frau in 2011
In Europa ganz hinten!

Die zusammengefasste Geburtenziffer des Jahres 2011 betrug in Deutschland 1,36 Kinder je Frau. Damit lag sie nach Angaben des Statistischen Bundesamtes (Destatis) niedriger als im Vorjahr (1,39) und etwa auf dem Niveau von 2009. Die durchschnittliche Zahl der Geburten ging 2011 bei jüngeren Frauen zurück, während sie bei den Frauen im Alter von Mitte 30 bis Mitte 40 zunahm.

In den neuen Ländern war die zusammengefasste Geburtenziffer mit 1,43 Kindern je Frau höher als im früheren Bundesgebiet (1,36). Während die Geburtenhäufigkeit in den neuen Ländern – nach einem Einbruch in den ersten Jahren nach der deutschen Vereinigung – seit Mitte der 1990er Jahre deutlich zugenommen hat, stagnierte sie im früheren Bundesgebiet auf niedrigem Niveau. Gegenüber 2010 nahm die Geburtenziffer im Jahr 2011 allerdings in allen Bundesländern außer dem Saarland ab.

Die zusammengefasste Geburtenziffer wird zur Beschreibung des aktuellen Geburtenverhaltens herangezogen. Sie gibt an, wie viele Kinder eine Frau im Laufe ihres Lebens bekommen würde, wenn ihr Geburtenverhalten so wäre wie das aller Frauen zwischen 15 und 49 Jahren im jeweils betrachteten Jahr.

Wie viele Kinder ein Frauenjahrgang im Durchschnitt geboren hat, kann erst festgestellt werden, wenn die Frauen am Ende des gebärfahrigen Alters sind, das statistisch mit 49 Jahren angesetzt wird. Im Jahr 2011 erreichten die Frauen des Jahrgangs 1962 das Alter von 49 Jahren. Sie brachten im Laufe ihres Lebens durchschnittlich 1,61 Kinder zur Welt. Seit 1990 nahm diese sogenannte endgültige Kinderzahl um 16 % ab: Die Frauen des Jahrgangs 1941 brachten noch 1,92 Kinder zur Welt.

Voraussichtlich wird die endgültige Kinderzahl je Frau in den nächsten Jahren weiter abnehmen. So haben beispielsweise die Frauen des Jahrgangs 1966 bis zum Alter von 45 Jahren 1,52 Kinder geboren. Ihre endgültige Kinderzahl im Alter von 49 Jahren wird voraussichtlich geringer ausfallen als die des Jahrgangs 1962.

Von niedrigen Geburtenzahlen und fehlenden Müttern...
(von: Olga Pötzsch und Petra Kucera - Statistisches Bundesamt)

Warum werden in Deutschland immer weniger Kinder geboren? Und das obwohl der Staat das Elternsein mit vielen Maßnahmen, wie zuletzt der Einführung des Elterngeldes oder dem Ausbau der Kindertagesbetreuung, erleichtert. Diese Frage treibt die Gemüter immer dann um, wenn das Statistische Bundesamt sinkende Geburtenzahlen vorlegt. Sicherlich, günstigere Rahmenbedingungen wirken positiv auf die rein private Familienplanung. Sie sind aber nicht der einzige ausschlaggebende Faktor für die Geburtenzahlen. Eine Verkettung von wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Einflüssen hat in Deutschland zu einem dauerhaft niedrigen Geburtenniveau und immer kleineren Geburtsjahrgängen geführt. Wie stark diese wirken, lässt sich allerdings nur schwer messen. Demografische Strukturen und ihre Veränderungen hingegen lassen sich zahlenmäßig gut abbilden. Kinder können nur dort geboren werden und aufwachsen, wo es auch eine entsprechende Anzahl von potenziellen Müttern gibt. Nimmt man die Gruppe der Frauen im gebärfähigen Alter in den Blick, wird deutlich: Die aktuellen Geburtenzahlen sind Folge des Geburtenrückgangs der vergangenen 50 Jahre.

Nach dem Baby-Boom nahmen die Geburten kräftig ab

In Deutschland zählte man mit 1,4 Millionen die meisten Neugeborenen im Jahr 1964. Gegen Ende der 1960er Jahre kam es vor allem im früheren Bundesgebiet zu einem kräftigen Rückgang der Geburten. Beeinflusst wurde diese Entwicklung durch neue, mit dem traditionellen Familienbild konkurrierende Lebensentwürfe und begünstigt durch die Verbreitung der Antibaby-Pille. Im Jahr 1972 sank die Geburtenzahl in Deutschland unter die Millionen-Marke und stagnierte danach zwischen 0,8 und 0,9 Millionen Geburten jährlich. Seit 1991 geht nun die Anzahl der Geborenen mit Ausnahme einzelner Jahre kontinuierlich zurück. 2011 wurden in Deutschland 663 000 Kinder geboren, nur noch halb so viel wie 1964.

Die Zahl der potenziellen Mütter ist rückläufig

Wie viele Kinder geboren werden, hängt in starkem Maße von der Zahl der Frauen im gebärfähigen Alter ab. Statistisch gesehen liegt dieses Alter zwischen 15 und 49 Jahren. Seit über 40 Jahren wird in Deutschland die Elterngeneration nur noch zu etwa zwei Dritteln durch Kinder ersetzt. Infolgedessen schrumpft auch die Frauengruppe im gebärfähigen Alter immer mehr und bringt in der Gesamtheit weniger Kinder zur Welt.

Im Jahr 2011 gab es in Deutschland insgesamt 18,2 Millionen Frauen im gebärfähigen Alter. Das waren 1,5 Millionen weniger als 1997, dem Jahr mit den meisten Frauen in der relevanten Altersgruppe nach der Deutschen Vereinigung. Zu dieser Altersgruppe gehörten damals die geburtenstarken Frauenjahrgänge der 1950er und 1960er Jahre. Bis 2011 schieden allmählich die vor 1963 geborenen Frauen aus der Gruppe der potenziellen Mütter aus; dafür rückten die deutlich schwächer besetzten Jahrgänge von 1984 bis 1996 nach. Bei der Mädchengeneration der heute unter 15-Jährigen ist fast jeder jüngere Jahrgang kleiner als der vorhergehende. Deshalb wird die Frauengruppe, die die potenziellen Mütter stellt, in den kommenden Jahren immer stärker schrumpfen.

Auf die 26- bis 35-jährigen Frauen kommt es besonders an

Innerhalb der Gruppe der Frauen im gebärfähigen Alter ist die Geburtenhäufigkeit unterschiedlich. Die meisten Kinder, nämlich über 60 %, werden von Frauen im Alter zwischen 26 und 35 Jahren geboren. Die Entwicklung dieser Frauengruppe kann deshalb die Geburtenzahl besonders stark beeinflussen. Zwischen 1990 und 1995 nahm die Anzahl der 26- bis 35-jährigen Frauen sogar noch um 8 % zu: von 6,3 auf 6,8 Millionen. Da aber die durchschnittliche Kinderzahl je Frau gleichzeitig um 14 % sank, nahm die Zahl der Neugeborenen trotzdem ab. Von 1997 bis 2007 war dagegen die sinkende Anzahl der Frauen in dieser Altersgruppe der ausschlaggebende Faktor für den Rückgang der Geburtenzahlen; die durchschnittliche Kinderzahl je Frau hat sich wieder stabilisiert. Seit 2008 stagniert die Zahl dieser Frauen bei rund 5 Millionen. In den kommenden Jahren bleibt sie nach Ergebnissen der Bevölkerungsvorausberechnung voraussichtlich fast unverändert. Spätestens ab 2020 wird diese Altersgruppe jedoch aus deutlich schwächer besetzten Jahrgängen bestehen, dann ist mit einer geringeren Anzahl potenzieller Mütter zwischen 26 und 35 Jahren zu rechnen.

Ohne Familienförderung ist mit noch weniger Nachwuchs zu rechnen

Die sinkenden Geburtenzahlen der letzten 20 Jahre waren durch die vorangegangene demografische Entwicklung quasi "vorgezeichnet". Während der relative Beitrag der Frauen im Alter zwischen 26 und 35 Jahren zu den Geburten beständig zunahm, rückten besonders schwach besetzte Jahrgänge aus Mitte der 1970er Jahre anstelle der Baby-Boom-Generation in diese Altersgruppe auf. In den nächsten Jahren kann zwar nach Ergebnissen der Bevölkerungsvorausberechnung von einer relativ stabilen Zahl der potenziellen Mütter zwischen 26 und 35 Jahren ausgegangen werden. Spätestens ab 2020 wird jedoch diese Altersgruppe voraussichtlich deutlich schrumpfen, wodurch ein erneutes Geburtentief ausgelöst werden kann. Positive Erfahrungen anderer Länder mit einer gut ausgebauten Kinderbetreuung und Maßnahmen zur Förderung von Familien lassen allerdings auch für Deutschland auf mehr Geburten hoffen als es ohne solche Unterstützung zu erwarten wäre. Ob dem ansonsten absehbaren Geburtenrückgang entgegengewirkt werden kann, bleibt abzuwarten.

Geburten/Geburtenziffern in Ländern Europas
(Quelle Destatis/Eurostat/BRANDORA)